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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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und die jungen Stars von heute, teilweise nur halb so alt wie ich, ent ziehen sich dem direkten Kontakt mit der Öffentlichkeit, um von ihr nicht völlig vereinnahmt zu werden.
    Die nächste Zäsur steht mir bald bevor. Noch gibt es Bayern-Spieler, die den Jahrgängen 1979 und älter angehören. Wenn diese Generation einmal abtritt, wird der Kader nur noch Spieler umfassen, die zum Zeitpunkt meines ersten Bayern-Spiels noch gar nicht auf der Welt waren. Ich glaube, das wird ein Moment, an dem ich mich sehr alt fühlen werde.
    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

2007/08
    Ü BERS W OCHENENDE NACH C HINA
    Zehn Jahre hintereinander hatte der FC Bayern die Champions League erreicht. Mal auf Umwegen über die Qualifikation, mal mit 16 Punkten Vorsprung als Deutscher Meister. Dabei wurden Einnahmen generiert, die den Bau der Allianz-Arena möglich machten, einen teuren und qualitativ hochwertigen Kader refinanzierten und den Verein wirtschaftlich in die Lage versetzten, jederzeit auf dem Transfermarkt nachzulegen. Die Königsklasse des europäischen Vereinsfußballs hat ihr ganz eigenes Flair, für reisefreudige Fans jedoch einen kleinen Makel: Ab dem Achtelfinale trifft man selten auf neue Gegner. Dort tummeln sich fast immer die gleichen Vereine. Nun, man könnte einwenden, dass dies auch für die Bundesliga gilt. Aber einerseits ist der Europacup für mich immer noch ein Festtag, an dem ich gerne etwas Neues, Unbekanntes sehen möchte. Und andererseits ist es tatsächlich auch in der Bundesliga so, dass ich Heimspiele gegen Wolfsburg, Bochum oder Duisburg weniger mit Vorfreude, sondern eher aus Gewohnheit besuche. Über Belebungen der Liga durch Unterhaching, Ulm, Aachen oder jüngst Hoffenheim freue ich mich. Von mir aus könnte die Zahl der Abstiegsplätze daher gerne auch vier betragen.
    Champions League gab es für uns in der Saison 2007/08 nicht, nur UEFA-Pokal. Damit stieg die Chance auf exotische Gegner. Dabei begann die Saison schon exotisch genug. Der Verein hatte ein Freundschaftsspiel in Hongkong vereinbart. Unverhofft bekam ich die Gelegenheit, erneut zusammen mit der Mannschaft zu reisen – wenn auch auf eigene Kosten –, und sparte dadurch langwierige Recherche über günstige Flugverbindungen und risikoreiches Abpassen von Anschlussflügen. Seit mir beim Zwischenstopp auf dem Flug zum Champions-League-Spiel bei Glasgow Rangers in Paris mein Koffer abhanden kam, bin ich gebranntes Kind. Aus dieser Erfahrung resultiert auch die Losung von Carsten, meinem langjährigen Mitreisenden auf solchen Touren: »Es gibt nur vier Dinge, die ein Groundhopper wirklich benötigt: Kreditkarte, Eintrittskarte, Handy und Reisepass. Alles andere kann man sich vor Ort besorgen.«
    Ein Bayern-Spiel in China? Das konnte ich mir nicht entgehen lassen, zumal damit ein weiterer Meilenstein auf der nach oben offenen Skala an Verrücktheit genommen werden konnte. Es war ja nicht nur das abgedrehte Ziel. Es war auch die extrem kurze Dauer des Trips, denn eigentlich flog ich mal eben übers Wochenende nach China: Start am Freitagnachmittag – zwölf Stunden Hinflug – Stadtbesichtigung – fünf Stunden Schlaf – erneute Stadtbesichtigung – Bayern-Spiel – Mannschafts-Bankett – zwölf Stunden Rückflug – Ankunft Montagvormittag. Streng genommen hätte ich kaum Urlaub nehmen brauchen.
    »Und, Radtke, was haben Sie so am Wochenende gemacht?« »Ich war in China.« Zu diesem fiktiven Dialog kam es nicht. Leider. Die Zeit vor Ort war dermaßen knapp bemessen, dass ich mir weder Zeit für längeren Schlaf noch zum Essen nahm. Ein »coffee-to-go« und hineingestopfte Cheeseburger im Gehen mussten reichen. Fast Food im eigentlichen Sinne. Ich hatte mich gut vorbereitet und erkundete die Stadt auf eigene Faust. Bei meiner einzigen Übernachtung betrachtete ich vor dem Zu-Bett-Gehen bei reichlich chinesischem Dosenbier vom 15. Stockwerk meines Hotelzimmers aus eine der weltweit spektakulärsten Skylines. Ein Augenblick, bei dem mir wieder einfiel, wie ich mir zehn Jahre zuvor mit Carsten eine fensterlose Doppelkabine auf der Fähre zum Europacup-Spiel nach Göteborg genommen und dabei ebenfalls reichlich Dosenbier vertilgt hatte. Nun saß ich hier, hinter dem Panoramafenster eines Fünf-Sterne-Hotels und 9.000 Kilometer von zu Hause entfernt. Und nur wegen eines Bayern-Spiels. Das war verrückt. Das war dekadent. Vielleicht war es auch ein bisschen pervers. Aber ich bin der festen

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