Sehnsucht FC Bayern
Saisonbeginn endlich mal wieder einen längeren Urlaub. In den Jahren zuvor ging diese Zeit meist für diverse Zwischen- und Abschlussprüfungen drauf. Für zwei Wochen hatten wir uns ein einsam gelegenes Ferienhaus 35 Kilometer nördlich von Hamburg gemietet. Die Tatsache, dass es dieses besagte Trikot auch in einem Sportgeschäft in Kaltenkirchen, einer Kleinstadt inmitten Schleswig-Holsteins, zu kaufen gab, wunderte mich seinerzeit noch. Heute bin ich der Meinung, dass die Omnipräsenz von Fanartikeln, insbesondere von Fußballtrikots, ihren Teil zum unverkrampften Umgang mit Fans rivalisierender Vereine beigetragen hat. Vereinfacht gesagt: Wer als HSV-Fan ganzjährig in den Sportgeschäften oder -abteilungen der Kaufhäuser Bayern-Trikots hängen sieht, der sieht beim Anblick der Gästefans zum Heimspiel gegen den FCB nicht mehr reflexartig »rot«.
Kein Tag im Urlaub verging, an dem die Zeitungen nicht wieder einmal über etwas Neues aus München berichteten. Überraschend sollte sich auch für mich eine Veränderung ergeben: mein erstes wirklich eigenes Auto. Hatte ich die Jahre zuvor zunächst noch auf Mutters Kadett zurückgegriffen, um dann später den ausrangierten Ford Sierra meines Vaters zu übernehmen, bot sich nun in der Sommerpause der günstige Kauf eines gebrauchten Opel Calibra an. Nun fand ich den Wagen optisch wirklich klasse, gebe aber zu: Die Tatsache, dass so ein Modell zuvor auch von Spielern des FC Bayern gefahren wurde, beeinflusste meine Kaufentscheidung zwar nicht maßgeblich, förderte sie aber doch leicht. Ich ertappte mich selber dabei, wie das Trikot-Sponsoring durch Opel unterschwellig offenbar Wirkung zeigte. Ich musste über mich selbst lachen und grübelte, ob ich derartigen Versuchungen in der Vergangenheit bereits schon einmal erlegen war. In Bezug auf adidas traf das zu. Aber sonst? Einen Commodore C64 besaß ich jedenfalls niemals. Und auch sonst fahre ich heute weder Audi noch Opel und bin nicht Allianzversichert. Dennoch fand ich es damals auf charmante Weise stimmig, im Opel zu Bayern-Spielen zu fahren. Wäre ich konsequent gewesen, hätte ich mich allerdings für einen Opel Commodore entscheiden müssen. Aber der wurde ja seit einigen Jahren nicht mehr gebaut.
Auch wenn es nur ein Gebrauchtwagen war – so ein Auto bedurfte einer standesgemäßen Jungfernfahrt. Jetzt mal ehrlich: Was lag da gedanklich näher als München? Es war auch mal ausgesprochen angenehm, ohne andere Fanclub-Mitglieder und nur mit Antje allein zu einem Bayern-Spiel zu fahren. Wie hieß es so schön in bestem Manta-Deutsch: »Opel fahn is wie wenze fliechst.« Entsprechend stolz rollte ich gen Olympiastadion. Jürgen Klinsmann schoss bei Kaiserwetter seine lang ersehnten ersten beiden Tore zum 2:0-Erfolg über den SC Freiburg. Ich fühlte mich großartig. Und wie so oft wurde das Spiel mit Übernachtung und touristischem Beiprogramm angereichert. Auch wenn bereits dutzendfach zuvor praktiziert, gehörten Chinesischer Turm im Englischen Garten, Hofbräuhaus, Marienplatz, Leopoldstraße und so weiter obligatorisch dazu. Man entdeckt bei diesem Standardprogramm nicht wirklich etwas Neues, aber alles zusammen befriedigt so ein 08/15-Programm die persönliche Erwartungshaltung an einen München-Besuch. Schwäbische Hertha-Fans oder sächsische HSV-Supporter, die einmal im Jahr zum Heimspiel nach Berlin oder Hamburg fahren, werden mich verstehen. Wenn ich mir heute etwa alle zwölf Tage den FCB in der Allianz-Arena anschaue, dann finde ich es fast schon wieder traurig, wie gewöhnlich ein Heimspiel für mich inzwischen meist geworden ist.
Ähnlich wie in der Saison zuvor kam es im Achtelfinale des UEFA-Cup mit Benfica Lissabon zur einer Klassiker-Paarung. Lange trug ich mich mit dem Gedanken, nach Portugal zu fliegen. Letztlich waren Antje und mir die je 600 DM für das Flugticket doch zu teuer, zumal es seinerzeit bei der Buchung noch eine so genannte Wochenendbindung gab, um den Preis wenigstens einigermaßen erschwinglich zu halten. Bei Mittwoch-Spielen läpperten sich da die Tage vor Ort, was im Falle von Lissabon kein größeres Problem dargestellt hätte. Bei Raith Rovers in der 2. Runde, die im schottischen Kirkaldy spielten, hätte das ganz anders ausgesehen. Wenn ich schon auf das Rückspiel verzichtete, dann wollte ich doch wenigstens das Hinspiel sehen und begab mich mit zwei Freunden wieder einmal auf München-Tagestour mit anschließender, nächtlicher Rückfahrt. Dazwischen lag ein Spiel
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