Sehnsucht FC Bayern
leider gestorben.
Den Saisonauftakt bildete die Reise zu einem Freundschaftsspiel in Chicago. Im Rahmen einer groß angelegten Kampagne hatte ein amerikanischer Investor diverse europäische Spitzenteams in die USA eingeladen. Der FC Bayern beteiligte sich mit nur einer Begegnung an der so genannten »Champions World Series«. Gegner war Manchester United, das gleich drei Spiele im Rahmen dieser etwas merkwürdigen Marketingkampagne austrug. Die Sondermaschine bot für den Reisetross ab München ausreichend Platz, so dass es Mitreisemöglichkeiten für Fans gab und ich zu meinem zweiten Flug mit der Mannschaft kam. Der Vier-Tage-Trip bot überraschenden Einblick in die Marketing-Maschinerien von Adidas und Nike. Beide Sportartikelgiganten nutzten die Begegnung zu einer wahren Werbeschlacht. An ungezählten Bushaltestellen der Stadt prangten großformatige Plakate von Ballack, Makaay und Kahn. Vor dem Soldier Field Stadium hatte Adidas ein kleines soccer-camp aufgebaut und verteilte kostenlos das aktuelle Heimtrikot. Nike ließ sich nicht lumpen und startete in eigenen Läden in der Innenstadt ähnliche Aktionen. Was als Spiel in der Fußball-Diaspora gedacht war, entpuppte sich als großes Experimentierfeld für Investoren.
Das Konzept schien aufzugehen, denn schon beim Show-Training beider Mannschaften zahlten 40.000 Zuschauer bis zu zehn US-Dollar Eintritt für je 45 Minuten FCB- und ManU-Training. Fleißig deckten sich die unkundigen Zuschauer mit entsprechenden T-Shirts und Schals ein. Denn dass sie tatsächlich unkundig waren, wurde tags darauf beim Spiel deutlich, als Eckbälle und Tacklings größtes Verzücken beim Publikum auslösten. Inwieweit sie sich über ein Tor gefreut hätten, ließ sich nicht feststellen. Es fiel nämlich keines. Ein müder Kick, der beim amerikanischen Publikum kaum Lust auf mehr hervorgerufen haben dürfte und im krassen Gegensatz zu den horrenden Eintrittspreisen und dem vorangegangenen Konsumrausch bei Fanartikeln stand. Die Freikarte des FC Bayern drückte den Gesamtpreis der Reise zwar nur unmerklich, war aber eine schöne Geste. Dennoch war ich überrascht, wie viele auch alte Bayern-Trikots und -T-Shirts im Stadion zu sehen waren.
Da Unentschieden nicht dem amerikanischen Wettbewerbsgedanken im Sport entsprechen, wurde nach 90 Minuten rasch ein Elfmeterschießen drangehangen. Es ging zu unseren Gunsten aus. Dank eines vom FCB organisierten Shuttle-Busses ging es für die rund 30 Bayern-Fans nach dem Spiel direkt vom Stadion zum Flughafen für den Rückflug. Die Mannschaft würde nicht auf uns warten. Dass mir beim Abflug verboten wurde, meine Reisetasche abzuschließen, wertete ich zunächst nur als Sicherheitsmaßnahme. Wie ernst es den US-Behörden damit tatsächlich war, merkte ich, als ich wieder zu Hause war und in der Tasche einen Zettel der Heimatschutzbehörde vorfand. Man hatte den Inhalt der Tasche untersucht. Sich zusammen mit der eigenen Mannschaft in die Luft zu jagen, scheint mir nun wirklich absurd. Gerade ich! Nichts lag mir ferner. Aber das wussten die Amis ja nicht.
Hatten wir in den neunziger Jahren im Suff noch darüber spekuliert, ob Island oder Norwegen das nördlichste Land in der Champions League ist, traf uns mit Israel das wohl exotischste Los. Schon deshalb, weil es weder politisch noch geografisch zu Europa gehört, sondern nur fußball-geografisch, da sich die asiatischen Länder mit hohem Anteil muslimischer Bevölkerungsgruppen oft geweigert hatten, gegen Israel anzutreten. Für uns hingegen war Maccabi Tel Aviv ein willkommenes Glückslos, zumal die UEFA die Austragung des Hinspiels in Israel freigab. Immerhin hatte es seit einigen Monaten keine Selbstmord-Attentate mehr gegeben. Was sich hier so locker liest, löste damals in Wirklichkeit einige Bedenken bei uns aus. Wir recherchierten im Internet nach Sicherheitshinweisen durch das Auswärtige Amt, um sie dann vor Ort natürlich komplett zu missachten. Wir saßen sowohl in Straßencafés, besuchten natürlich die Märkte und warteten an Bushaltestellen auf unsere Abfahrt. Vor Ort, wenn das pulsierende Leben um einen herum tobt, verdrängt man die Gefahr. Dass man sie nicht völlig vergaß, lag an der ständigen Präsenz von Militär, Polizei und privaten Sicherheitskräften. Unser Augenmerk richtete sich insbesondere auf die auffallend vielen attraktiven Soldatinnen, die ihr Schnellfeuergewehr über der Schulter trugen und sich dabei so lässig gaben wie bei uns nur äußerst modebewusste
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