Sehnsucht nach dem Maerchenprinzen
Liebe zu Rohan und die Freundschaft mit seiner Mutter verraten. Und jetzt? Ein strahlend blauer Sommernachmittag hatte genügt, um die ganze traurige Geschichte ans Licht zu holen und ihr das Herz schwer zu machen. Sie stand vor einem Scherbenhaufen.
âDas war Costello, nicht wahr?â, fuhr Vivian in ohnmächtiger Wut auf seine Tochter los.
âDu weiÃt, dass es Rohan war.â Charlotte folgte ihrem Vater ins Wohnzimmer und lieà sich erschöpft in einen Sessel sinken. Ihr Vater blieb stehen. Vielleicht wollte er so seine Ãberlegenheit zeigen. âBitte reg dich nicht auf ⦠damit erreichst du nichts. Es war falsch, Rohan anzuschreien. Tu das ja nie wieder. Du würdest dein blaues Wunder erleben. Ãbrigens gilt das für uns alle. Die alten Zeiten sind vorbei. Du kannst nicht mehr auf Rohan und seiner Mutter herumhacken, wie es deine und Mums Art war.â
âDiese Hochstaplerin!â, stieà Vivian Marsdon hervor.
âSo ein Unsinn. Mrs Costello hat nur zu ihrem Sohn gehalten.â
â Miss Costello, bitte.â
âSei doch nicht so schrecklich scheinheilig!â, empörte sich Charlotte. âJede Tigerin verteidigt ihr Junges. Es hat mir imponiert, wie sie meine so löblichen Eltern attackiert hat. Sie musste es tun. Ihr wart grausam zu den beiden ⦠Mum noch viel mehr als du.â
âDeine Mutter war nicht mehr bei Verstand, Charlie. Wir hatten unseren einzigen Sohn verloren. Was konntest du da erwarten?â
âEtwas mehr Vernunft, Dad. Mitleid und Verständnis ⦠und keine vorschnelle Verurteilung. Wir sind nicht die Einzigen, die durch einen tragischen Unfall einen geliebten Menschen verloren haben. Bitte setz dich hin, Dad. Beruhige dich. Muss ich noch einmal betonen, dass Martyn der Schuldige war? Er verleitete Mattie dazu, zum anderen Ufer zu schwimmen. Rohan und ich riefen ihn zurück. Er drehte auch schon um, aber Martyn lieà nicht locker. Er wollte Mattie herausfordern. Rohan schwamm ihm sofort nach, aber da war es schon zu spät.â
Vivian machte ein entsetztes Gesicht. âWas sagst du da?â
âIch wiederhole nur, was an jenem schrecklichen Nachmittag wirklich passiert ist. Doch du und Mum ⦠ihr wart auf beiden Ohren taub. Ihr habt die Geschichte geglaubt, die euch Martyn, feige wie er war, aufgetischt hat.â
âDas ⦠ist ⦠unmöglich!â Vivian schien erst jetzt zu begreifen, was Charlottes Worte bedeuteten. âDu warst von Rohan zu sehr eingenommen und immer auf seiner Seite. Du hättest faustdick für ihn gelogen.â
âWas soll ich dazu noch sagen, Dad?â, fragte Charlotte resigniert. âIch gebe es auf, dich überzeugen zu wollen. Mach meinetwegen das Schicksal verantwortlich. Du hast sowieso immer nur geglaubt, was dir günstig erschien.â
âSo über deinen toten Mann zu sprechen!â Vivian war sichtlich empört. âDer arme Martyn! Du versuchst immer noch, deinen Rohan zu entlasten.â
âDas stimmtâ, gab Charlotte ohne Weiteres zu. âDu hast jahrelang nicht auf mich gehört ⦠genau wie Mum. Ihr hattet eure Prinzipien. Martyn war ein Prescott ⦠Rohan ein Niemand. Das Schicksal hat jedoch anders entschieden, nicht wahr? Rohan hat es durch Begabung und eigene Leistung geschafft. Sogar Mum behauptete anfangs, er würde es einmal weit bringen. Später diente er euch nur noch als Sündenbock.â
âEr war der Anführer eurer Viererclique!â, donnerte Vivian los. âDu warst ein kleines Mädchen, und Martyn spielte den Hanswurst. Rohan hätte seine Aufsichtspflicht ernster nehmen müssen. Er war extrem nachlässig.â
âDeine Ungerechtigkeit ist empörend, Dad! Rohan, Martyn und Mattie waren alle im gleichen Alter. Warum musste Rohan allein für das, was geschehen war, bezahlen?â
âWeil wir unseren Sohn niemals wiederbekommen werden. Deshalb! Matties Tod hat unsere Ehe zerstört. Deine Mutter wollte nicht länger hierbleiben. Sie konnte Riverbend und mich nicht mehr ertragen. Dabei teilte ich ihren Schmerz.â
âNatürlich, aber Mum litt viel mehr. Sie wird den Unglückstag noch bis zu ihrem letzten Atemzug verfluchen. Ich frage mich, wie Kurt Reiner das aushält. Sein Leben muss ihm wie ein Gefängnis erscheinen.â
Ihr Vater hatte sich inzwischen auch hingesetzt. âWen interessiert Kurt Reiner?â, fragte er bitter.
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