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Sehnsucht nach Leben

Sehnsucht nach Leben

Titel: Sehnsucht nach Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaeßmann
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noch so große Anstrengung, ein gutes oder gar perfektes Leben zu führen, wird mich je zufriedenstellen, wird je gelingen. Mein Leben ist schon gelungen, ist „sinn-voll“, ja, „gerechtfertigt“, weil es ein Leben ist, das Gott mir geschenkt hat. Ich bin nicht etwa deshalb eine angesehene Person, weil ich viel Geld verdiene, gut aussehe oder etwas leiste. Nein, ich bin eine angesehene Person, weil Gott mich ansieht. In unserer Leistungsgesellschaft ist das eine geradezu revolutionäre Botschaft! Egal, wo ich stehe, ob ich erfolgreich bin oder arbeitslos, krank oder topfit, wohlhabend oder verschuldet – vor Gott ist das überhaupt nicht entscheidend! Allein entscheidend ist, ob ich begreife, dass ich nicht aus mir selbst heraus Lebenssinn schaffen kann. Wer das nämlich versteht, wird sich Gott ganz und gar anvertrauen. Wer so glaubt, hat eine andere Lebenshaltung: Ich weiß, dass ich gehalten werde, und kann deshalb aufrechten Hauptes durch mein Leben gehen. Auch wo etwas nicht gelingt, auch wenn ich versage, muss ich mein Leben nicht wegwerfen.
    Wer zu dieser Haltung findet, ist wirklich frei. Und diese Freiheit wird nach außen strahlen, selbst wenn Umstände, Kontexte, Lebenssituationen mich einengen. Und mit einer solchen inneren Freiheit habe ich den Raum, den Blick auf die Freiheit der anderen zu werfen und für ihre Freiheit einzutreten.
    Freiheit ist eines der Themen, die sich wie ein roter Faden durch unser Leben ziehen. Sie ist ein zentrales Thema des christlichen Glaubens. Und es ist eine bittere Erfahrung im Leben vieler Menschen, wenn ihre Freiheit eingeschränkt ist oder sie den Verlust von bereits erlebter Freiheit spüren oder erfahren müssen. Sehnsucht nach Freiheit kann bewegen, kann ermutigen, kann auf den Weg bringen. Ja, die Erfahrung der eigenen Freiheit kann dankbar machen und uns dazu befreien, für die Freiheit anderer einzutreten.

Sehnsucht nach
FRIEDEN

    John Lennons Lied „All we are saying, is: Give peace a chance“ – „Wir sagen nur: Gebt dem Frieden eine Chance!“ ist für mich wie ein Cantus firmus , eine Grundmelodie, die Christinnen und Christen in die Welt tragen. Übernommen haben wir sie von Jesus selbst, der immer wieder sagte: „Friede sei mit euch!“ Der Pfingstgeist – die Taube – steht für diese Tradition. Durch verschlossene Türen kam Jesus, so haben es die Jüngerinnen und Jünger erfahren, und sagte: „Friede sei mit euch.“ Da erlebten sie Gottes Geist wie eine ungeheure Ermutigung, frei von ihrem Glauben zu reden. Die Friedenstaube und die Taube, die für Gottes Geist steht, sie gehören zusammen.
    Frieden ist für mich schon lebenslang ein Thema gewesen. Dazu haben sicher viele Faktoren beigetragen. Zum einen stammt meine Familie aus Hinterpommern. Flucht, Vertreibung, Vergewaltigung, Krieg, Bombardierung, Zerstörung – das waren Themen, die ich in der Kindheit wahrgenommen habe. Als ich 1974/75 für ein Jahr als Schülerin in den USA war, erlebte ich die heftige Debatte um das Ende des Vietnamkrieges. Martin Luther King mit seiner klaren Botschaft der Gewaltfreiheit wurde für mich zum Vorbild. Er hatte gesagt, es gäbe nicht die Wahl zwischen Gewalt und Gewaltfreiheit, sondern nur zwischen Gewalt und Untergang. In den 80er Jahren hat mich die Debatte um die Nato-Nachrüstung bewegt. Wie konnte es sein, dass auf deutschem Boden im Osten und Westen eine derartige Konzentration an Vernichtungswaffen gegeneinander gerichtet war, wenn wir doch ein Land sein wollen? Ein Nein ohne jedes Ja – das wurde auf lila Tüchern beim Kirchentag 1983 in Hannover gegen den Willen von Kirchentagsleitung und Evangelischer Kirche in Deutschland zum Symbol. Und schließlich, bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen im selben Jahr, nahm der „Konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung“ im Ökumenischen Rat der Kirchen seinen Anfang.
    Die Sehnsucht nach Frieden hat mich also umgetrieben. Sie ist sicher einerseits eine politische Option, vielleicht auch eine militärische. Ich finde Krieg schlicht und ergreifend grauenvoll und alle Rechtfertigungsversuche für kriegerisches Handeln haben für mich einen schalen Beigeschmack. Rüstungsausgaben, Waffenexporte, sie sind für mich schlicht ein Zeichen von Versagen. Da gibt es nicht genug Fantasie für den Frieden und ein

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