Sehnsucht nach Leben
lässt sich nicht einsperren
in katholische käfige
nicht in evangelische käfige
der heilige geist ist auch
kein papagei
der nachplappert
was ihm vorgekaut wird
auch keine dogmatische walze
die alles platt walzt
der heilige geist
ist spontan
er ist bunt
sehr bunt
und er duldet keine uniformen
er liebt die phantasie
er liebt das unberechenbare
er ist selbst unberechenbar [13]
So beschreibt Wilms sehr gut die kreative Kraft des Geistes, die Vielfalt und Buntheit des Glaubens, die Vision vom Frieden, die in unserer Welt möglich sein soll.
Wie ein roter Faden zieht sich der Aufruf Gottes durch die Bibel: âErschreckt nicht und fürchtet euch nicht.â Ich habe das immer als Grundmelodie der Evangelien verstanden. âFürchtet euch nicht! Ihr müsst keine Angst haben, dass euer Leben nicht gelingt. Du bist du, mit all deinen Schwierigkeiten und Kanten und Ungereimtheiten. Dein Leben gelingt, weil du ein Geschöpf Gottes bist. Du bist eine angesehene Person, weil Gott dich ansieht. Fürchte dich nicht!â
Wie kann das in unserer Lebensrealität aussehen? Wir können als Einzelne die Welt nicht grundsätzlich ändern. Aber wir werden uns auch nicht wegducken. Gottes Frieden, unser innerer Friede und der Friede auf Erden haben doch etwas miteinander zu tun! Wir haben in ökumenischer Gemeinsamkeit angeprangert, dass Deutschland auf Platz drei der Rüstungsexporteure aufgerückt ist. Keine positive Rekordmarke, wahrhaftig nicht! Schön moralisch beklagen wir die Kriege der Welt, aber wir verdienen an ihnen! Die Rüstungsindustrie ist jedenfalls von der Krise nicht betroffen. Experten gehen davon aus, dass 2010 die 30-Milliarden-Euro-Marke bei den Militärausgaben in unserem Land überschritten wurde. [14] Da gilt es, offen und mutig vom Frieden Gottes zu reden, der auch Frieden auf Erden bedeuten soll. Christen können sich nicht auf âdas Eigentlicheâ konzentrieren, wie manche es gern hätten. Denn das Eigentliche ist das Evangelium, und das redet vom Frieden sehr, sehr real und so gar nicht weltabgewandt. Ich lasse mich gern als naive Weltverbesserin belächeln. Das ist besser, als zu den ständigen Weltverschlechterern zu gehören. Als ich in einer Neujahrspredigt 2010 den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan kritisch hinterfragte, erntete ich sowohl heftige Zustimmung als auch heftigen Protest. Reinhold Robbe, der damals Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages war, sagte etwas süffisant, ich könnte mich ja mit den Taliban in ein Zelt setzen und bei Kerzenlicht beten.
Das empfand ich gar nicht als Beleidigung, auch wenn es als Herablassung gemeint war. Wahrscheinlich würde ein solcher Versuch der Kommunikation aber mehr zum Frieden beitragen als Bombardierungen auf Tanklastzüge, bei denen viele Zivilisten ums Leben kommen.
Allzu oft ist es in unserer Kirche ausgesprochen windstill, und manche finden, Gottes Geist solle lieber ruhig sein. Aber der Friedenswille bricht sich immer wieder Bahn. Mir ist das wichtig. Ich bewundere Menschen wie Martin Luther King, die die Entschlossenheit zeigen, angesichts von noch so viel Gewalt und Unrecht auf Gewalt zu verzichten. Sie haben sich nicht den schnell vorgebrachten Ruf nach den Waffen auf ihre Fahnen geschrieben. Sie sind den langwierigen, Geduld fordernden, belächelten Weg der Gewaltfreiheit gegangen. Und damit haben Menschen wie er in der Geschichte immer wieder gröÃte Hochachtung erlangt. Eine Achtung, die alle Auszeichnungen und Orden für militärische Erfolge überschreitet. âSelig sind die Friedfertigen, denn sie werden Kinder Gottes heiÃen ...â
Als Christinnen und Christen in der DDR wie Christian Führer in Leipzig bei Kerzenlicht mit den Friedensgebeten begannen und Friedrich Schorlemmer gar symbolisch in Wittenberg ein Schwert durch einen Schmied in einen Pflug umwandeln lieÃ, da wurden sie belächelt: âNaiv!â Aber sie galten auch als gefährlich, diese Christen mit ihrer unbändigen Sehnsucht nach Frieden. Junge Leute in der DDR mussten mit Verhaftung rechnen, wenn sie den Aufnäher âSchwerter zu Pflugscharenâ an der Jacke trugen. Viele haben viel gewagt für ihre Sehnsucht. Und am Ende hallte der Ruf: âKeine Gewalt!â aus den Kirchen von Leipzig und Dresden und Ostberlin auf die StraÃen hinaus. So hatten Christinnen und Christen mit ihrer Sehnsucht nach Frieden und Gewaltfreiheit
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