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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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Kälte zitternd kauerte Nakeshi auf ihrer Astgabel und erwartete mit bangem Herzen das Ende der Nacht. Das Raubtier unter ihr schlief unterdessen in aller Ruhe. Nakeshi konnte seinen gleichmäßigen Atem hören. Sie überlegte hin und her, wie sie den Schlaf des Tieres zu ihrem Vorteil nutzen konnte. Langsam entwickelte sie einen Plan. Sobald es hell genug war, wollte sie ihre Astgabel verlassen, um den Löwen von einem weiter unten befindlichen Ast aus anzugreifen. Mit dem Speer in der Hand würde sie sich auf das schlafende Tier stürzen, es mit ihrem Giftspeer töten oder wenigstens verletzen und dann ihr Heil in der Flucht suchen. Sie hoffte nur, dass das Gift, das sie mittlerweile auf ihre Speerspitze aufgetragen hatte, schnell genug wirkte.
    Als sich der Horizont zu erhellen begann, tastete sich Nakeshi vorsichtig von ihrer Astgabel. Zentimeter für Zentimeter rutschte sie hinab, Stück für Stück, bis sie schließlich auf einen ziemlich waagerechten Ast gelangte, ungefähr zwei Meter über dem Boden. Mittlerweile konnte sie den schemenhaften Umriss des Raubtiers wahrnehmen. Allerdings war er sehr undeutlich, und sie erkannte nicht, wo sich sein Kopf befand. Sie würde sich noch einen Augenblick gedulden müssen, um sicherzugehen, dass sie ihn an der Vorderflanke, möglichst nah an seinem Herzen, erwischte. Der Speer allein konnte das Tier nicht töten. Das Gift musste möglichst rasch ins Herz gelangen. Ihre Hände waren feucht und umklammerten krampfhaft die Waffe. Hoffentlich wachte das Tier nicht vorher auf! Endlich lugte die Sonne eine Handbreit über den Horizont und erhellte
die Landschaft. Doch der Löwe blieb im dunklen Schatten verborgen. Nakeshi wusste, dass sie nicht länger warten konnte. Das Tier konnte jeden Moment erwachen. Wenn es sie entdeckte, blieb ihr kaum genügend Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Sie machte sich bereit und sprang. Doch in dem Moment, in dem sie sich entschlossen mit den Füßen von ihrem Ast abdrückte, bewegte sich das Tier und rollte sich zur Seite. Im Bruchteil einer Sekunde erkannte sie, dass sie falsch aufkommen würde. Allerdings befand sie sich bereits im Sprung und konnte ihre Richtung nicht mehr ändern. Instinktiv riss sie den Speer nach oben, um ihn nach der Landung gleich wieder einsetzen zu können. Der Aufprall war hart, doch es gelang ihr, sich abzufedern. Sofort ging sie wieder in Angriffsstellung und brachte den Speer in Position. Wild entschlossen versuchte sie den Löwen zu fixieren, sah, dass er sich im Halbschatten aufgerichtet hatte, wohl um sie anzugreifen. Die Entfernung zwischen ihr und dem Tier war zum Werfen zu gering. Sie konnte den Speer nur noch als Stichwaffe benutzen. Mit einem Schrei sprang sie auf ihn zu.
     
    Ihr Sprung lief ins Leere. Stattdessen spürte sie, wie der Speer schmerzhaft aus ihrer Hand geschleudert wurde und eine Kraft, die ihrer weit überlegen war, ihr das Gleichgewicht raubte und sie auf den Boden stürzen ließ. Bäuchlings landete sie im Staub. Bevor sie sich umdrehen konnte, spürte sie ein schweres Gewicht auf sich. Hilflos vor Angst schloss sie die Augen und wartete auf den erlösenden Todesbiss.
    Nichts dergleichen geschah. Stattdessen wurden ihre Hände hochgerissen und fest an den Boden geheftet. Allerdings nicht von tödlichen Löwenpranken, sondern von menschlichen Händen. Sie brauchte einen Augenblick, bis sie erkannte, dass ihr Angreifer kein Löwe war.
    »Wolltest du mich wirklich töten?«

    Nakeshis Herz blieb beinahe stehen, als sie erkannte, wen sie da beinahe getötet hätte.
    »Du kannst loslassen«, keuchte sie schließlich. Die Hände gaben sie frei, und es gelang ihr, sich umzudrehen.
    Ungläubig starrte sie in das ihr so wohlvertraute Gesicht. Ihr gegenüber kniete Bô, der sie grimmig anlächelte.
    Nakeshi errötete vor Scham.
    »Ich dachte, du wärst ein Löwe«, versuchte sie sich für ihren Angriff zu entschuldigen. »Weshalb bist du mir gefolgt?«
    Bô wirkte plötzlich sehr verlegen. Sein Gesicht spiegelte Freude, aber auch Angst wider. Schließlich platzte es aus ihm heraus.
    »Weil ich dich liebe!«, hauchte er heiser.
    Nakeshi schüttelte ungläubig den Kopf. Sie musste sich verhört haben. Sie hatte sich bestimmt verhört! Ihr Herz raste wie wild. Tränen der Freude und Erleichterung rannen über ihre Wangen.
    »Sag das noch mal«, forderte sie.
    »Ich liebe dich«, antwortete Bô dieses Mal viel fester. Sein Auge musterte sie hoffnungsvoll. »Ich bin gekommen, um dir das zu

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