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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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sie
wie Schläge. Er hatte kein Wort von dem verstanden, was sie versucht hatte, ihm zu sagen. Warum war nur das Leben eines Weißen für Raffael gut? Waren sie und ihr Volk so wenig wert, dass er nicht frei wählen durfte? Am liebsten hätte sie vor Empörung laut geschrien. Aber dann beherrschte sie sich doch. Auch in ihrem Volk gehorchte eine Frau ihrem Mann.
    »Wir gehen wieder zurück«, presste sie hervor. Es kostete sie Mühe, keinerlei Emotionen in ihrer Stimme mitschwingen zu lassen.
    Johannes nickte.
    »Wir brechen auf, sobald der Mond voll ist!«
    Falls Sarah darüber erschrak, ließ sie sich nichts anmerken. Sie drehte sich um und machte sich wortlos auf den Rückweg zu der Onganda.
    Johannes spürte plötzlich, dass er die Sache ganz falsch und unsensibel angegangen war. Er hatte seine Frau tief verletzt. Das hatte er nicht gewollt. Verzweifelt versuchte er die Situation zu retten.
    »Sarah«, rief er ihr hilflos hinterher. »Es ist nicht so, wie du denkst. Lass es mich dir erklären.«
    Aber Sarah reagierte nicht.
     
    Bedrückt und hundemüde kam Raffael am Abend des nächsten Tages von seiner ersten Hirtentour zurück in die Onganda. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten und kroch sofort durch den engen mit Lehm verschmierten Holzeingang ihrer Hütte. Sarah folgte ihm, um ihm etwas zu essen anzubieten. Doch der kleine Junge trank lediglich aus der ihm gereichten Kalebasse einen tiefen Schluck saure Milch. Dann drehte er sich um und gab vor, zu schlafen. Seine Mutter legte ihm noch eine Decke um und ließ ihn dann in Ruhe.
    Sarah hatte mit Johannes seit ihrer Auseinandersetzung kein einziges Wort mehr gewechselt. Noch am Abend war sie in
Komihos Hütte gezogen und hatte dort übernachtet. Den ganzen nächsten Tag war sie ihm aus dem Weg gegangen und hatte damit begonnen, sich von ihren vielen Verwandten zu verabschieden. Besonders ihre alte Tante Komiho wollte sich gar nicht damit abfinden, dass Vengape sie schon wieder verließ. Raffael hatte sie noch nichts von der bevorstehenden Abreise erzählt. Sie hatte ihm nicht seinen großen Tag verderben wollen. Außerdem fand sie, dass es die Aufgabe des Vaters war, seinen Sohn aufzuklären. Sie fürchtete sich davor, wie der Junge auf die bevorstehende Abreise reagieren würde. In ihren Augen schien er hier viel glücklicher zu sein als auf Owitambe.
    Doch Raffael nahm die Nachricht völlig gelassen auf. Im Gegenteil, er schien sich auf die Heimreise sogar zu freuen. Den ganzen Tag über half er seinem Vater beim Packen des Planwagens und suchte nicht einmal die Nähe von Katondoihe und den anderen Hirtenkindern, als sie am Abend mit ihren Ziegen wieder zurückkamen. Sarah ahnte, dass etwas vorgefallen sein musste, aber Raffael wich ihr aus, als sie ihn darauf ansprach, und schwieg trotzig. Hatte Johannes vielleicht recht und der Junge hatte gemerkt, dass sein weißer Anteil in ihm doch stärker war? Sarah schüttelte unwirsch den Kopf. Manchmal wusste sie selbst nicht mehr, wohin sie gehörte.
     
    Am nächsten Tag brachen sie auf. Wegen der Unruhen am Waterberg hatte sich Johannes entschieden, einen Umweg über die Etoschapfanne zu machen, um im Fort Namutoni auf eine Gelegenheit zu warten, sich einem bewaffneten Schutztrupp anzuschließen. Weder Johannes noch Sarah wussten von der Schlacht am Waterberg und ihren schrecklichen Folgen. Wie auf dem Hinweg vertraute Johannes darauf, dass sie bei weißen Farmern Unterschlupf finden und vielleicht ihre Vorräte würden auffrischen können. Doch die Gastfreundschaft, die in Deutsch-Südwest selbstverständlich war, wurde ihnen bei
ihrer Heimreise nur sehr eingeschränkt gewährt. Grund dafür waren die Unruhen. Viele Farmer fürchteten sich vor den Schwarzen und witterten Aufruhr an jeder Ecke. Sie kapselten sich ab und suchten nur noch die Nähe von ihresgleichen. Die Mischehe zwischen Johannes und Sarah war ihnen jetzt erst recht ein Dorn im Auge. Einige Male wurden sie sogar mit wüsten Beschimpfungen von der Farm gejagt. »Du verkafferter Abschaum«, »Rassenschänder« und »Verräter« waren übliche Beschimpfungen. Johannes versuchte sich davon nicht abschrecken zu lassen, und auch Sarah zeigte keinerlei Regung. Aber Raffael machte die Ablehnung der Menschen sehr wohl zu schaffen. Eines Abends, als sie wieder einmal gezwungen waren, ungeschützt im Freien zu übernachten, brach es aus ihm heraus. Johannes hatte seinen Sohn zu Bett gebracht und wollte ihm gerade sein Lieblingsmärchen erzählen. Aber

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