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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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Kleidung ist sehr elegant. So etwas gibt es in Riga nicht.«
    »Warum eigentlich nicht?«, fragte Malu. »Die Straßen sind voller schöner Frauen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie weniger Spaß daran haben, sich geschmackvoll zu kleiden, als die Berliner Frauen.«
    Der Mann lächelte. »Da haben Sie sicherlich recht. Aber Berlin ist eine Weltstadt, Riga ein verschlafenes Provinznest. Es fehlt an Ideen, an guten Schneiderinnen, an feinen Stoffen.« Er seufzte, dann lächelte er. »Meine Tochter – sie müsste ungefähr in Ihrem Alter sein – spricht genau wie Sie. Sie ist eine erstklassige Geschäftsfrau, doch auch sie tut sich schwer mit der Beschaffung exquisiter Mode. Dabei gäbe es reichlich Bedarf.«
    Plötzlich hatte Malu einen Einfall. »Ist sie hier? Kann ich sie sprechen?«
    Der Mann schaute sie nachdenklich an, dann nickte er. »Kommen Sie mit. Wir gehen nach hinten ins Büro. Dort finden Sie auch Bozena. Im Laden ist gerade nicht so viel los. Die Verkäufer kommen auch ohne mich gut zurecht.«
    Im Büro saß eine junge Frau, von deren großer Schönheit Malu sofort begeistert war. Bozena hatte sich das weizenblonde Haar zu einem Zopf geflochten, der ihr den Rücken hinabfiel und fast bis zur Hüfte reichte. Das blaue Kleid, das sie trug, war von einem einfachen Schnitt, doch der weiße Gürtel und die weißen Säume ließen es elegant aussehen.
    »Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen«, sagte Malu nach der Begrüßung. »Ich entwerfe und nähe Kleider. Einige meiner Modelle werden im Kaufhaus des Westens in Berlin verkauft. Vielleicht haben Sie schon einmal von diesem Warenhaus gehört.«
    Bozena schob ihre Unterlippe nach vorn. »Wer nicht? Jeder hat schon vom KaDeWe gehört und von den Schätzen, die es dort zu kaufen gibt. Aber gesehen haben es die wenigsten. Und Sie arbeiten wirklich für dieses Haus?«
    Malu nickte. »Ich bin nach Riga gekommen, um Spitzen und Stickereien zu kaufen. Die brauche ich für meine neue Kollektion.«
    »Spitzen und Stickereien? Wir lassen unsere Kleider in einer Textilfabrik produzieren. Manchen Kundinnen reicht das nicht aus. Sie wollen etwas ganz Besonderes haben. In diesen Fällen geben wir die Kleider und Blusen, die Röcke und Mäntel zu den alten Stickerinnen aufs Land.«
    Malu nickte. »Das ist sicherlich sehr praktisch. Wie wäre es aber, wenn Sie diese Frauen für mich arbeiten ließen? Im Gegenzug dafür würden Sie von mir die neuesten Entwürfe und obendrein ein Modellkleid erhalten.«
    Bozena dachte eine Weile nach. Sie zog die Stirn kraus, was ihr das Aussehen eines jungen Mädchens verlieh. Ihr Vater aber nickte begeistert.
    »Wir sind nicht arm, aber wir schwimmen auch nicht im Geld«, erklärte Bozena. »Was geschieht, wenn die Berliner Kleider in Riga keine Abnehmerinnen finden?«
    Malu zuckte mit den Schultern. »Ich werde Ihnen die Ware auf Kommissionsbasis anbieten. So ist Ihr Risiko gering. Ebenso möchte ich bei den Spitzen und Stickarbeiten verfahren.«
    Bozena nickte. »Das klingt gut. Lassen Sie mich eine Nacht über Ihren Vorschlag schlafen. Vielleicht können wir uns morgen treffen. Und vielleicht ist es Ihnen möglich, ein paar Ihrer Entwürfe mitzubringen.« Die junge Frau lächelte verlegen. »Es ist nicht so, dass ich Ihnen nicht vertraue. Man sieht auf den ersten Blick, dass Sie einen guten Geschmack haben. Aber nicht alles, was in Berlin sehr schick wirkt, ist auch für unsere Käuferinnen geeignet.«
    »Ich verstehe.« Malu erwiderte das Lächeln. »Dann sollten wir für morgen vielleicht einen Termin vereinbaren. Übermorgen reise ich bereits wieder nach Berlin zurück.«
    »Wie wäre es mit morgen Abend?«, schlug Bozena vor.
    »Gut. Treffen wir uns um sechs Uhr in meinem Hotel. Hier ist die Karte.«
    Malu verabschiedete sich und lief mit neuem Elan am Ufer der Düna entlang zurück zum Hotel. Dort reservierte sie einen Tisch für das Abendessen und begab sich auf ihr Zimmer, um ein wenig auszuruhen und sich dann frisch zu machen.
    Sie schlüpfte gerade in ein einfaches Abendkleid, als es an der Tür klopfte. »Herein!«, rief sie und rechnete mit dem Zimmermädchen, das kommen wollte, um ihr Bett aufzuschütteln. Doch als sie die Tür öffnete, stand Janis vor ihr.
    »Du?«, entfuhr es Malu. Sie starrte ihn an, als wäre er ein Geist.
    Janis nickte. »Komme ich ungelegen?«, fragte er und drehte seine Mütze nervös in den Fingern.
    Malu konnte nicht antworten. Ihr Blick umschloss sein Gesicht, das liebe, schöne, vertraute

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