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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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vertrauen?«, fragten Malus Blicke. Und Isabel schien mit ihren Blicken zu erwidern: »Das musst du selbst entscheiden. Aber wer, wenn nicht ich, kann dir sonst helfen?«
    Malu seufzte. »Ich heiße nicht Mohrmann«, sagte sie schließlich leise. »Und auch nicht Constanze. Ich bin Marie-Luise von Zehlendorf. Und die, die Sie als Malu kennen, heißt Constanze Mohrmann.«
    Isabel nickte, als wäre sie nicht wirklich überrascht. »Das macht es leichter«, erklärte sie.
    »Wieso leichter? Was macht es leichter?«
    Isabel hob ihr Glas und streckte es Malu entgegen. »Wir sollten uns duzen, jetzt, da wir quasi Komplizinnen sind.«
    Die beiden Frauen stießen an.
    »Was macht es leichter?«, wollte Malu endlich wissen.
    »Weißt du, wer der Vater des Kindes ist?«
    Malu wollte den Kopf schütteln, hielt aber in der Bewegung inne. »Ruppert?«, fragte sie.
    Isabel nickte. »Natürlich weiß ich es nicht mit Sicherheit. Ich habe schließlich die Lampe nicht gehalten. Aber das da etwas ist zwischen Malu … entschuldige … zwischen Constanze und ihm, das habe ich schon vor Monaten bemerkt.«
    »Sie waren schon zu Hause sehr oft zusammen«, sagte Malu ausweichend. »Und ich habe nichts von der Schwangerschaft bemerkt.« Sie schüttelte den Kopf – verwundert darüber, dass ihr Constanzes Zustand nicht aufgefallen war. »Was bin ich nur für eine Freundin?«
    »Niemand hat etwas bemerkt. Deine Kleider sind so geschnitten, dass sie eine Schwangerschaft gut verbergen. Überdies ist Constanze sehr schmal. Womöglich konnte sie ihren Zustand deshalb geheim halten.«
    Malu nickte. »Ich dachte in den letzten Wochen oft, dass sie so aufgebläht wirkt. Aber an ein Kind habe ich wahrhaftig nicht gedacht.« Sie schlug die Hände vor das Gesicht. »Mein Gott, wie allein sie sich gefühlt haben muss.«
    »Aber das ist nicht alles.« Isabel steckte sich eine Zigarette an. »Constanze wird nicht für das Kind sorgen können.«
    Malu zog die Augenbrauen hoch. »Wieso nicht? Gut, sie ist im Augenblick noch schwach. Aber wenn sie sich erst einmal erholt hat, wird sie sich schon über ihre Tochter freuen.«
    Isabel schüttelte den Kopf. »Sie ist kokainsüchtig.«
    Der Satz stand im Raum, durch nichts auszuwischen, und Malu stellte fest, dass sie es die ganze Zeit gewusst hatte, aber nicht hatte wahrhaben wollen. Jetzt nickte sie.
    »Weißt du, was das bedeutet?« Isabel sah ihr prüfend in die Augen.
    Malu zuckte mit den Schultern. »Ich habe von Kokain gehört. Das ist alles.«
    »Kokainsüchtige verhalten sich nicht wie normale Menschen. Sie sind krank. Das weiße Pulver bestimmt ihr Leben. Darüber vergessen sie Mann und Kinder, vergessen sogar sich selbst.«
    Malu biss sich auf die Unterlippe. »Was genau willst du damit sagen? Wie lange weißt du schon von Constanzes Abhängigkeit?«
    »Schon eine Weile.« Isabel zog an ihrer Zigarette. »Wir alle nehmen hin und wieder etwas Kokain. Constanze aber ist süchtig. Sie kann nicht mehr ohne das Zeug leben. Mir ist es im letzten Vierteljahr aufgefallen. Es gab da einen Vorfall.«
    »Was für einen Vorfall?«
    »Willst du das wirklich wissen?«
    Malu nickte. »Außer einem Bruder, der weit weg von hier wohnt, hat Constanze niemanden mehr als mich. Ihre Eltern sind vor Kurzem gestorben, wie ich vor wenigen Tagen erfahren habe. Ihr Bruder lebt auf dem Land in der Nähe von Riga und hat dort eine eigene Familie. Ich muss alles wissen, damit ich richtig entscheiden kann, wenn Constanze dazu nicht in der Lage ist.«
    Isabel nahm einen Schluck aus ihrem Glas. Ihre Augen hatten sich verdunkelt, und Malu erkannte, dass es sie schmerzte, über jenen Vorfall zu berichten.
    »Es war vor ein paar Wochen. Wir waren alle zusammen im Gefallenen Engel. Constanze fror, ihre Hände zitterten. Sie bat Ruppert, ihr etwas aus seiner Dose zu geben. Wir alle wussten, was sie meinte. Natürlich auch Ruppert. Er schüttelte den Kopf, und Constanze sank verzweifelt auf ihrem Stuhl zusammen. Eine Weile später holte Ruppert dann die Dose hervor. Constanzes Körper straffte sich. Sie saß da, wie zum Sprung bereit. Es war ihr gleichgültig, dass sie sich in der Öffentlichkeit befand, gleichgültig auch, dass die Freunde allesamt am Tisch saßen. Lothar nahm ihre Hand, hielt sie zwischen seinen beiden Händen und rieb sie warm. Er wollte Constanze auf diese Art zurückhalten, aber es gelang ihm nicht. Constanze stierte auf Ruppert, ihre Blicke schienen Löcher in den Spiegel zu brennen, auf dem er sich eine Linie zog.

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