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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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Riga. Ein Pfarrer aus Danzig. Männer, die gewillt waren, sie zu heiraten. Aber Malu wollte nicht heiraten. Sie liebte bereits einen Mann.
    Reichte das nicht aus?
    Nein, Janis reichte es nicht.
    Manchmal, am Abend, wenn er das Gut abschritt und über seine Liebe zu Malu nachdachte, traf er Ruppert, der am Zaun lehnte und über seine Ländereien sah. Bisweilen rauchten sie dann gemeinsam eine Zigarette. Und während Janis an seiner Papirossa aus gelbem Maispapier zog, rauchte Ruppert inzwischen deutsche Zigaretten der Marke »Feldherr«. So standen sie einander am Zaun gegenüber: Ruppert in Reitkleidung, in der Hand eine Gerte, die er von Zeit zu Zeit gegen die blank geputzten Reitstiefel schlug; Janis in den einfachen Hosen der Landarbeiter, ein knopfloses weißes Leinenhemd unter den Hosenträgern und Holzschuhe an den Füßen.
    »Was kostet es, wenn ich mir euren Bullen ausleihe?«, fragte Janis einmal.
    »Unser Bulle ist ein Prachtkerl«, erwiderte Ruppert blasiert und sah dem Rauch seiner Zigarette nach.
    »Wie der Herre, so’s Gescherre.« Janis trat seine Papirossa aus. »Also, wie viel?«
    »Die Hälfte der Kälber.«
    Janis lachte auf. »Die Hälfte der Kälber? Du bist verrückt.«
    »Gut. Dann spiel doch den Bullen selbst. Mal sehen, was dabei rauskommt.« Ruppert trat die Zigarette in den Dreck, wandte sich um und ging zurück zum Herrenhaus.
    Janis sah ihm wütend nach und musste dabei an die gemeinsame Schulzeit zurückdenken. Wie oft hatte er Ruppert abschreiben lassen, wie oft ihm wieder und wieder die Bruchrechnung erklärt. Ohne ihn, das wusste Janis, hätte Ruppert niemals einen Schulabschluss geschafft. Doch obwohl er während des Unterrichts stets auf Janis angewiesen gewesen war, hatte er ihn danach immer nur wie einen Untergebenen behandelt.
    Ihr Verhältnis erfuhr eine grundlegende Änderung, als sie sich eines Tages zufällig in einer Kneipe in Mitau trafen.
    »Na, Bruder, wie geht’s, wie steht’s?«, hatte Ruppert leutselig gefragt und ihm auf die Schulter geschlagen. Er war mit einer Gruppe von Freunden gekommen, machte sich aber nicht die Mühe, sie Janis vorzustellen. »Das ist nur einer von unseren Bediensteten«, erklärte er den anderen und winkte dem Ober. »Gebt dem Mann ein Bier auf meine Rechnung«, wies er an, klopfte Janis noch einmal auf die Schulter und verschwand.
    Bei der Gruppe war ein Mädchen gewesen, das sich immer wieder eng an Ruppert geschmiegt hatte. Seit dem Abschlussball wusste Janis aber, dass seine Schwester Ruppert folgte wie ein Hündchen seinem Herrn. Er konnte sich nicht erklären, warum sie das tat, aber sie tat es nun einmal. Als er sah, wie Ruppert dem Mädchen den Hintern tätschelte und ihr den Hals küsste, erwachte in ihm die Wut. Schon immer war er auf Ruppert wütend gewesen. Nicht eine der vielen Kränkungen und Spitzen hatte er vergessen. Zu gern hätte er das Herrensöhnchen einmal so richtig nach Strich und Faden vermöbelt, aber Janis hielt die Fäuste im Zaum. Die von Zehlendorfs hatten Einfluss, und den würden sie auch nutzen, wenn sie sich bedroht oder gedemütigt fühlten. Also hatte Janis die Fäuste zurück in die Tasche gesteckt, hatte mit den Zähnen geknirscht und sich geschworen, Ruppert eines Tages die verdiente Abreibung zu verpassen.
    Jetzt aber konnte er den Anblick der Hand auf dem Po des Mädchens kaum ertragen, zumal er wusste, dass Constanze auf dem Gut nur darauf wartete, dass Ruppert sie zu sich rief.
    Er trank sein Bier aus. Es war das vierte an diesem Abend, und der Alkohol kreiste durch sein Blut. Dann stand er auf, krempelte sich die Ärmel hoch und ging zu Ruppert und dessen Freunden. »Lass das Mädchen los!«, fuhr er ihn an.
    »Was?« Ruppert drehte sich um, in der Hand ein Glas mit Cognac.
    »Du sollst das Mädchen loslassen, habe ich gesagt. Zu Hause wartet meine Schwester auf dich.«
    »Du bist vergeben?« Das Mädchen wand sich aus der Umarmung, doch Ruppert packte sie beim Arm.
    »Natürlich bin ich nicht vergeben. Das da, das ist ein Bauer, und seine Schwester drängt sich mir seit Jahren auf. Was soll ich da machen?« Ruppert lachte spöttisch. »Ich bin halt ein gutmütiger Mensch. Das Mädel dauert mich, also gebe ich ihm hin und wieder, was es will.«
    Das Blut in Janis’ Körper erhitzte sich. Ihm war mit einem Schlag so heiß, dass er glaubte zu explodieren. Er ballte die Faust, holte aus und drosch sie mitten in Rupperts Gesicht.
    Er hörte ein Knacken, sah, wie Ruppert zurücktaumelte und das Blut

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