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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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erwiderte Janis barsch. »Sag, was du mir zu sagen hast.«
    Ruppert lächelte schief. »Wie du willst. Also: Gut Zehlendorf soll enteignet werden, weil ich in der russischen Armee gekämpft habe. Ich biete dir an, das Gut vorher zu kaufen.«
    Janis breitete die Arme aus. »Wovon soll ich das bezahlen?«
    »Ich mache dir einen Preis, der selbst für dich erschwinglich ist. Ein Rubel. Nicht mehr, nicht weniger. Du wirst das Gut kaufen, dann warten wir die Enteignung ab, und danach wirst du es mir zurückgeben. So einfach ist das. Wie gesagt: keine große Sache.«
    Janis sah Ruppert von oben bis unten an. Erst nach einer kleinen Weile, in der das Schweigen lastend zwischen den beiden Männern stand, fragte er: »Warum sollte ich das machen?«
    Ruppert zuckte mit den Schultern. »Weil du überleben willst, deshalb. Du wirst dir schon denken können, was dein Lohn für diese kleine Gefälligkeit ist. Ich leih dir das Geld, das du brauchst, um dein mickriges Gut kaufen zu können. Wie viel will der Besitzer dafür haben? Zweihundert Rubel? Dreihundert?«
    »Zweihundertfünfzig Rubel.«
    »Na bitte. Noch heute weise ich das Geld zu deinen Händen telegrafisch an. Morgen kannst du der Eigentümer von Männertreu sein. Und übermorgen verkaufe ich Zehlendorf an dich.«
    »Und wenn ich dir das Gut nicht zurückgebe?«, fragte Janis.
    »Dann verführe ich deine Schwester. Das wird leicht werden, sie frisst mir ohnehin aus der Hand. Und später lasse ich sie mit einem Bastard sitzen.«
    »Das wirst du nicht tun!« Janis’ Gesicht war weiß geworden, das Kinn kantig. Er hatte die Fäuste geballt. »Ich warne dich. Lass deine Finger von meiner Schwester.«
    Ruppert schlug Janis leicht auf die Schulter. »Beruhige dich. Nichts ist passiert. Soweit ich weiß, ist Constanze nicht schwanger. Und wenn du mir Zehlendorf wie vereinbart zurückgibst, werde ich sie heiraten.«
    Janis starrte Ruppert an, suchte in seinem Gesicht nach Anzeichen dafür, dass er die Unwahrheit sprach. Doch Ruppert hielt seinem Blick stand und zuckte mit keiner Wimper.
    »Du wirst mir das Geld für Männertreu leihen. Zinslos, versteht sich. Und du wirst Constanze heiraten. Denk nicht, dass sie keinen besseren Ehemann als dich kriegen könnte, aber sie liebt dich nun einmal. Vielleicht wird sie in ein paar Jahren klüger und von dir geheilt sie. Aber jetzt heirate sie. Erst dann gebe ich dir Zehlendorf zurück. Ist das klar?«
    Ruppert lachte lauthals. Er wollte sich schier ausschütten vor Lachen. Mit dem Zeigefinger deutete er dann auf Janis und brüllte: »So sind sie, die Letten. Ihnen gehört nicht das Schwarze unter den Fingernägeln, aber sie wollen befehlen!«
    »Halt dein Maul!«, zischte Janis und zog Ruppert am Ärmel.
    Der junge Gutsherr sah, wie Wut in Janis hochkroch. Eine Wut, die sich in langen Jahren angesammelt hatte. Die Wut, mit der er im Krieg gegen die verhassten Deutschen gekämpft hatte. So dachte zumindest Ruppert. Seit Jahrhunderten nahmen die Deutschen sich Land, das ihnen nicht gehörte, und ließen die angestammten Besitzer darauf schuften, hatte er Janis oft genug sagen hören. Nichts ersehnten Janis und seine lettischen Gefährten mehr als die Enteignung der Güter, um mit erhobenen Häuptern den eigenen Grund und Boden bearbeiten zu können. So stand es ihnen auf der Stirn geschrieben, so sprachen sie in den Dorfkneipen, so predigten an manchen Stellen sogar die Popen von der Kanzel. Dafür hatten die Letten im Krieg gekämpft. Für Gerechtigkeit.
    Heimlich rieb sich Ruppert die Hände. Nun hatte er Janis in eine Lage gebracht, in der er mit dem Feind gemeinsame Sache machen musste. Gemeinsame Sache gegen die eigenen Leute. Ruppert wusste, dass Janis es nicht auf Reichtum abgesehen hatte. Er war keiner von denen, die selbst in seidenen Laken schlafen und andere befehligen wollten. Er tat es für Malu. Wenn er die Absicht hatte, sie zu heiraten – und nichts anderes, das wusste Ruppert, wollte Janis –, dann brauchte er für sie ein Dach über dem Kopf. Er brauchte genug zu essen und genügend Brennholz für einen Kachelofen. Wahrscheinlich, ahnte Ruppert, stritten in Janis’ Herz zwei große Lieben gegeneinander: die Liebe zu Malu und die Liebe zu Lettland. Aber die Liebe zu Malu schien ihm doch greifbarer. Deshalb – und nur deshalb – stand er sicher hier und sprach mit ihm, statt ihm vor die Füße zu spucken oder den Hund auf ihn zu hetzen.
    Janis’ Gesicht war verbissen. Er knirschte mit den Zähnen, hatte die Fäuste

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