Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)
dass er gerade in diesem Augenblick mit einer anderen tanzte, deren Hals küsste, nach deren Brüsten fasste.
Es dauerte Wochen, bis Ruppert sie zu sich rief. Constanze schlüpfte in ihr schönstes Kleid, schminkte sich Mund und Wangen rot und hielt sich rohe Zwiebeln vor die Augen, damit sie glänzten. Constanze sang und lachte grundlos, sie fühlte sich so angefüllt mit Freude wie schon lange nicht mehr. Das Herz schlug ihr gegen die Rippen, im Bauch tanzten Schmetterlinge. Sie ging nicht über den schmalen Pfad hinüber zum Herrenhaus, sie rannte und stellte sich dabei vor, auf welche Art Ruppert ihr wohl den Heiratsantrag machen würde.
Dann hielt Constanze kurz inne und schüttelte den Kopf. Nein, Ruppert würde sicherlich nicht vor ihr niederknien und um ihre Hand bitten. Er würde ihr nicht einmal rote Rosen oder gar einen Ring schenken. Er würde ihr den Hochzeitstermin mitteilen, sie anschließend ins Bett ziehen und ihr die Frisur zerwühlen, an der sie stundenlang gearbeitet hatte. Er würde ihr das Unterkleid zerreißen, das so teuer gewesen war, und ihr die Strümpfe so grob von den Beinen zerren, dass am nächsten Tag auf ihnen Kratzer zu sehen wären.
Das alles wusste sie, doch konnte sie nicht aufhören zu hoffen, dass es womöglich doch anders sein würde. Dass da vielleicht doch ein Ring wäre und eine rote Rose, dass seine Küsse leicht und zart sein würden, seine Berührungen sanft und geduldig.
Dann betrat sie das Herrenhaus. Ruppert hatte schon ungeduldig auf sie gewartet. Sie sah sein ungeduldiges Gesicht und den harten Mund, als er sie grob küsste.
»Wo bist du gewesen?«, herrschte er sie an, während er sie die Treppe hochstieß. »Warum hat das so lange gedauert?«
»Ich wollte schön sein für diesen Augenblick«, antwortete sie leise und spürte schon die Tränen in ihren Augen.
»Ich will dich nicht schön«, keuchte Ruppert. »Ich will dich nackt!«
Er schob sie in sein Zimmer, warf sie aufs Bett, zerrte ihr Kleid nach oben, spreizte ihr die Beine und drang in sie ein, noch ehe Constanze wusste, wie ihr geschah. Er tat ihr weh, und sie ahnte, dass er genau das wollte.
Er grinste breit. »Ich weiß, was Frauen wie du brauchen«, japste er.
Constanze drehte das Gesicht zur Seite und weinte in das fremde Kissen.
Danach erhob er sich, richtete seine Kleider und strich sich über das Haar. Während er sich eine Zigarette anzündete, befahl er ihr: »Wir sind fertig, du kannst gehen!«
Nie hatte sich Constanze nackter gefühlt als in diesem Augenblick. Sie war unfähig aufzustehen. Also blieb sie liegen, mit weit gespreizten Beinen und zerrissenem Mieder, mit zerwühltem Haar und schmerzenden Brüsten.
Ja, sie hatte mit ihm schlafen wollen, aber, Gott im Himmel, doch nicht so! Nicht auf diese Art und Weise, die sie so kränkte, die sie an ein Stück Vieh denken ließ. Sie fühlte sich schmutzig und entehrt; sie ekelte sich vor sich selbst und legte den Unterarm über ihre Augen, um ihn und vor allem sich selbst nicht sehen zu müssen.
»Na los, beweg dich. Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit«, sagte er und steckte sich das blütenweiße Hemd in die Hose.
Nach dieser Demütigung wollte und konnte Constanze nicht einfach aufstehen und weggehen. Sie wollte etwas mitnehmen, etwas, das ihr das Gefühl oder die Gewissheit gab, die grobe Behandlung hätte einen Grund. Sie würde seine Wut in Kauf nehmen – sie würde alles in Kauf nehmen –, nur damit er sie nicht so gehen ließ. Es musste sich doch gelohnt haben.
»Was ist mit der Hochzeit?« Ihre Stimme klang weinerlich und leise.
»Was für eine Hochzeit?« Ruppert stellte sich vor den Spiegel und betrachtete seine Frisur von der Seite. Er pfiff dabei eine Melodie aus der neuen Operette Schwarzwaldmädel .
»Mit unserer Hochzeit. Du hast versprochen, mich zu heiraten, wenn du das Gut behalten kannst.«
Ruppert fuhr herum und lachte. »Und das hast du geglaubt? Dann bist du ja noch blöder, als ich gedacht habe.« Er riss ihr den Arm von den Augen und raunte: »Niemals im Leben werde ich eine wie dich zum Altar führen. Niemals im Leben wird eine Frau wie du die Mutter meiner Kinder sein. Eher heirate ich eine Ziege als dich.«
Constanze lag wie gelähmt da und fühlte sich noch gedemütigter als zuvor. Sie wollte sterben. Jetzt. Hier. Doch nicht einmal das ließ Ruppert zu. Er packte ihren Arm, zerrte sie vom Bett und warf ihr die Schuhe vor die Füße.
»Geh!«, befahl er. »Nimm deinen Plunder und geh.«
»Aber …«
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