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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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Brot.«
    Obwohl Malu sich ihm zuwandte, starrte Janis weiter auf die Seerose. »Wie kann es recht und richtig sein, dass den Deutschen lettisches Land, lettischer Boden gehört? Wieso arbeiten die eigentlichen Besitzer des Landes für die, die es ihnen gestohlen haben? Nur, weil etwas Jahrhunderte dauert, heißt es nicht, dass es gut und richtig ist.«
    »So siehst du das? So siehst du uns? Als habgierig und räuberisch?« Malu sprang auf.
    Jetzt erst sah Janis sie an. »Du doch nicht«, sagte er leise. »Du bist nicht habgierig und räuberisch. Auch dein Vater war es nicht. Aber die meisten Letten denken, dass ihr alle so seid. Deshalb das Gesetz.«
    Malu stieß einen tiefen Seufzer aus. »Was soll nun werden?«, fragte sie mehr sich selbst als Janis.
    Dann wandte sie sich ab. Wie konnte ausgerechnet er sie im Stich lassen? Eine spitze Bemerkung kam ihr in den Sinn, doch sie mühte sich, diese zu unterdrücken. Aber dann brach es aus ihr heraus: »Wenn ihr Letten meint, dass ihr alles genauso gut könnt wie die deutschen Gutsbesitzer, dann tut es! Ihr hattet schließlich jahrhundertelang Zeit, von ihnen zu lernen.«
    Sie rannte vom Steg zum Herrenhaus zurück. Dort ließ sie sich auf der Freitreppe nieder und verbarg das Gesicht in den Händen. Als Ruppert aus dem Haus kam, sah sie auf.
    »Was soll nur werden?«, fragte sie ihren Bruder. »Was wird passieren?«
    Anders als am Morgen wusste er nun eine Antwort. Gut gelaunt und hämisch grinsend erklärte er ihr: »Ich regele das. Niemand wird uns Zehlendorf wegnehmen. Keiner sich greifen, was mir gehört.«
    »Was hast du vor?«
    »Das lass meine Sorge sein.«
    Er schlug ihr leicht auf die Schulter und eilte pfeifend davon. Malu sah ihm verblüfft nach, seufzte und begab sich ins Haus zurück.
    Wenig später traf Ruppert auf Janis, genau so, wie er sich das gedacht hatte. »Na, Nachbar, wie steht es mit deinem Land?«, erkundigte er sich leutselig.
    Misstrauisch zog Janis die Augenbrauen hoch. »Wie soll es schon stehen?«
    Ruppert bot ihm eine seiner ägyptischen Zigaretten an, doch Janis lehnte ab und kramte eine zerdrückte Papirossa aus seiner Hosentasche hervor.
    »Warum fragst du?«
    Ruppert lachte. »Wie schon gesagt: Du bist mein Nachbar. Wir kennen uns seit Kindertagen. Ist es so ungewöhnlich, dich zu fragen, wie es dir geht?«
    »Unter Nachbarn ist das üblich«, gab Janis zu. »Aber für dich nicht. Wie soll es meinem Land gehen? Das weißt du doch längst. Ich habe keine Pferde mehr, mit denen ich die Felder pflügen kann. Nehme ich die Kühe dafür, werde ich weder Milch noch Kälber bekommen. Auch an Saatgut fehlt es mir. Das letzte haben die Russen mitgenommen.«
    »Es geht dir also schlecht, nicht wahr?« Ruppert rieb sich die Hände.
    »Ja. Du hast allen Grund zur Freude. Es geht mir schlecht. Der deutsche Besitzer, der sich inzwischen in Schlesien ein neues Gut zugelegt hat, möchte an mich verkaufen, aber dafür habe ich kein Geld. Ich befürchte, schon bald findet er einen anderen, der Männertreu kaufen will, und dann habe ich nicht einmal mehr ein Dach über dem Kopf, vom Brot auf dem Tisch ganz zu schweigen. Willst du sonst noch etwas wissen? Soll ich dir noch mehr von meinem Unglück erzählen, an dem du dich weiden kannst?«
    Ruppert schüttelte den Kopf. »Dein Unglück muss nicht dein Unglück bleiben. Eine Hand wäscht die andere. Das weißt du. Wenn wir zusammenarbeiten, kann es unser beider Glück sein.«
    Janis kniff die Augen zusammen und musterte den Nachbarn. Er zog an seiner Papirossa, stieß Rauch aus, warf die Kippe auf den Boden und trat sie aus. »Was hast du vor?«
    Ruppert lachte scheppernd. »Du bist misstrauisch, Janis. Das warst du schon immer. Lass mich dir einen guten Rat geben: Misstraue nicht jedem, den du triffst. Es gibt durchaus Leute, die es am Ende gut mit dir meinen.«
    »Was hast du vor?«, wiederholte Janis ungerührt.
    Ruppert fischte eine neue Zigarette aus seiner edlen Packung. »Es ist keine große Sache«, erklärte er, während er sein Feuerzeug schnappen ließ und seine Zigarette anzündete. Er nahm einen tiefen Zug. »Nichts, was irgendwie anrüchig ist.«
    Janis schwieg und wartete.
    »Du hast sicher gehört, dass die baltischen Güter enteignet werden sollen. In Estland haben sie schon angefangen. Und jetzt, so scheint es, ist Lettland dran. Die Bauern sind zu dumm. Sie haben ihre Unabhängigkeit erklärt. Als ob sie allein überleben könnten.«
    »Ich will nicht über Politik mit dir reden«,

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