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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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Constanze stand zitternd in dem Zimmer, das ihr als ein guter Ort für einen Heiratsantrag erschienen war. Sie konnte sich nicht bewegen. Nichts gehorchte ihr. Die Beine nicht, der Kopf nicht. Ihr Schädel war angefüllt mit einer schwarzen Leere, von der Constanze wusste, dass sie sie für den Rest ihres Lebens mit sich schleppen würde. »Du hast mich nie geliebt«, stellte sie ohne Vorwurf fest. »Ich war dir immer gleichgültig. Du wolltest nur deinen Spaß mit mir.« Sie wunderte sich nicht einmal mehr darüber.
    »Was?«
    »Du hast mich nie geliebt«, wiederholte Constanze.
    Ruppert blickte sie verblüfft an. »Natürlich nicht. Wie soll ich eine Frau wie dich denn lieben können?«

Zwölftes Kapitel
    Baltikum, 1920
    M alu wartete, bis es Abend geworden war. Ruppert, der sich ganz als Mann und Herrscher fühlte, hatte sich angewöhnt, nach dem Abendessen eine Zigarette im Freien zu rauchen und dabei genießerisch seine Ländereien zu überblicken.
    Es war März und recht kalt. Der Wind pfiff aus dem Norden, und noch letzte Woche hatte es Schnee gegeben. Malu holte sich ihr warmes Tuch und lief Ruppert hinterher. Er schien bester Laune zu sein, paffte an seinem ägyptischen Kraut, hielt das Kinn gereckt und schaute selbstgerecht über seinen Besitz.
    »Na, Schwester?«
    »Es ist schön hier. Immer wieder«, sagte Malu.
    Ruppert nickte. »Hast du deine Freundin gesehen?« Er zog seine Taschenuhr hervor. »Sie müsste eigentlich schon lange hier sein.«
    »Nein, ich habe Constanze nicht gesehen«, erwiderte Malu. »Wirst du jetzt, da du das Gut geerbt hast, endlich heiraten?«
    Ruppert wandte sich ihr zu. Er lachte. »Heiraten? Teilen, was ich gerade erst bekommen habe?« Er schüttelte den Kopf.
    »Du wirst das Gut also allein führen?«
    »Ich? Oh nein. Wozu habe ich einen Verwalter? Ich bin reich. Hast du je erlebt, dass reiche Leute arbeiten? Das Kennzeichen von Reichtum ist es, andere für sich arbeiten zu lassen.«
    »Vater hat gearbeitet! Mehr als alle anderen!« Sie war so wütend, dass sie Ruppert anbrüllte. »Natürlich gibt es den Verwalter, aber auch der muss angeleitet werden. Der Vater hat Schwarzrock niemals in die Papiere Einblick nehmen lassen. Wie, um alles in der Welt, willst du das Gut führen?«
    »Es gehört mir! Und ich werde tun, was ich für richtig halte. Es wird allmählich Zeit, dass du dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmerst.« Auch Ruppert war laut geworden.
    Eine Weile schwiegen sie, starrten mit finsteren Gesichtern in die Ferne und liefen schweigend nebeneinanderher.
    »Du wirst mit Mutter im Herrenhaus wohnen?«, fragte Malu nach einer Weile.
    Ruppert zog an seiner Zigarette. »Mutter ist nicht mehr die Jüngste. Ich weiß nicht, wie lange sie hier in der Provinz noch wohnen möchte. Womöglich wäre ein Stift in Riga das Richtige für sie.«
    Malu schnappte nach Luft. »Mutter ist noch nicht einmal fünfzig Jahre alt.«
    »Na und? Meinst du vielleicht, in ihrem Leben werden noch großartige Dinge geschehen? Seit Jahren hockt sie hier und tut nichts. Das kann sie genauso gut in Riga machen. So teuer wird das Stift schon nicht sein.«
    Malus Herz schlug schnell und hart in ihrer Brust. Das Atmen fiel ihr schwer, und doch musste sie die eine Frage stellen. »Was wird mit mir?«
    Ruppert zuckte mit den Schultern. »Was weiß denn ich? Mach, was du willst. Vater hat im Testament lebenslanges Wohnrecht für dich auf Zehlendorf verfügt. Du kannst dir überlegen, welche Zimmer du haben möchtest. Aber wenn du fortgehen willst, werde ich dich ganz bestimmt nicht aufhalten.«
    Malu biss sich auf die Unterlippe. Ihre Hände flatterten wie aufgeschreckte Vögel an ihren Seiten. »Ich würde gern gehen. Lieber heute als morgen.«
    Ruppert verzog leicht den Mund und trat die Zigarette ins Beet. Genau an die Stelle, an der Ilmes schönster Rosenstock blühte. »Dann tu es.«
    »Aber wovon soll ich leben?«, fragte Malu. »Ich bin bereit, auf eigenen Beinen zu stehen, doch dafür benötige ich Startkapital.«
    Ruppert lachte und richtete seine Frisur. »Am Ende noch für deine blöde Schneiderei?«
    Malu holte tief Luft. »Ja, für die Schneiderei. Ich möchte einen eigenen Laden haben, möchte nach Paris zu den großen Kleidermachern fahren. Ich brauche eine Wohnung, Kleider, Essen.«
    Ruppert starrte einen Augenblick in die Dunkelheit und überlegte. »Das ist dein Problem«, erwiderte er. »Wenn du Geld brauchst, dann heirate. Du weißt, wie die Bräuche sind. Geld gibt es zur

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