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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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Constanze viel besser spielt, als ich es je vermocht hätte.«
    »Wie bitte?« Ruppert beugte den Oberkörper nach vorn, als hätte er sie nicht richtig verstanden.
    »Du hast es gehört. Constanze und ich haben die Rollen getauscht. Sei also höflich und zuvorkommend zu ihr, schließlich ist sie deine Schwester.«
    Ruppert glotzte mit offenem Mund nach Constanze, die mit geradem Rücken und schwingenden Schritten näher kam, begleitet von dem Kofferträger, der sie mit ehrfürchtigen Blicken bedachte. Sie streckte ihm eine Hand entgegen, die in einem Spitzenhandschuh steckte.
    »Ruppert«, sagte sie. »Wie schön, dich in Berlin zu sehen.«
    Ruppert betrachtete sie aus den Augenwinkeln. Sein Blick glomm gefährlich, als wollte er Constanze damit mitteilen, dass sie die längste Zeit der Mittelpunkt der Berliner Gesellschaft gewesen war. Doch Constanze hatte in Berlin gelernt, dass der Schein mehr wog als das Sein. Und bei Ruppert gedachte sie, dieses Wissen zum ersten Mal anzuwenden.
    »Du wirst sicher erschöpft sein nach der langen Reise. Hast du bereits ein Hotelzimmer gebucht?«, fragte sie hoheitsvoll.
    Ruppert schüttelte den Kopf. »Ihr habt doch eine Wohnung.«
    Constanze lächelte mild. »Sie ist sehr klein, unsere Wohnung. Deshalb haben wir dir vorsorglich ein Zimmer in einer Pension gebucht. Frau Glubschke wird bereits alles vorbereitet haben. Wenn dir jedoch nach Luxus ist, so musst du dich selbst um ein Hotel in der Innenstadt bemühen. Sie sind kostspielig, aber jeden Pfennig wert. Im Adlon zum Beispiel gibt es vergoldete Wasserhähne. Und bei meinem letzten Diner dort hatten sie einen Schokoladenbrunnen.«
    »Schokoladenbrunnen«, wiederholte Ruppert wie ein Trottel.
    Constanze hängte sich bei Malu ein und ging mit ihr einige Schritte weiter. »Wir werden eine Droschke nehmen. Ich kann zwar mittlerweile sehr gut mit einem Automobil umgehen, doch Herr von Hohenhorst hatte gestern einen kleinen Unfall und konnte mir seines nicht zur Verfügung stellen. Nichts Schlimmes, nur ein wenig verbogenes Blech.«
    Rupperts Mund stand noch immer offen.
    Malu sah, dass er nicht wusste, ob er wütend oder belustigt sein sollte. Aber Rupperts Gemütszustand war ihr gleichgültig. Sie hatte sich vorgenommen, nicht darauf zu achten. Solange er sich gut benahm, konnte er bei ihr wohnen. Tat er das Gegenteil, würde er sich etwas anderes suchen müssen.
    Sie gingen zum Ausgang des Bahnhofs und stiegen in eine Droschke.
    Während das Gepäck aufgeladen wurde, flüsterte Malu ihrer Freundin heimlich zu: »Willst du ihn wirklich Mutter Glubschke antun? Meinst du nicht, er könnte für die ersten paar Nächte bei uns wohnen?«
    Constanze zuckte lächelnd mit den Schultern. »Es ist deine Wohnung, Malu. Du kannst tun und lassen, was du willst. Aber er hat mich so abfällig betrachtet, wie das seit Monaten niemand mehr getan hat. Ich musste mich einfach ein bisschen schadlos halten.«
    Malu nickte. Sie nannte dem Droschkenkutscher ihre Adresse.
    »Wie lange wirst du in Berlin bleiben?«, fragte Malu den Bruder, der mit großen Augen nach rechts und links starrte.
    »Ich weiß es noch nicht genau. Eine Weile. Ganz, wie es mir gefällt.«
    Malu verzog überrascht den Mund. »Und was ist mit dem Gut? Willst du Mutter wirklich so lange allein lassen?«
    Ruppert machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich habe sie nach Riga in ein Stift bringen lassen. Das habe ich dir doch geschrieben.«
    »So? Und sie war einverstanden?« Malu konnte sich bei Gott nicht vorstellen, dass Cäcilie von Zehlendorf in einem Stift wohnen wollte.
    »Natürlich nicht. Aber es geht eben nicht immer so, wie die gnädige Frau es will. Vater hat sie verzogen. Jeden Wunsch hat er ihr von den Augen abgelesen, bis sie glaubte, das gleiche Recht zu haben wie ein Mann. Es ist nicht meine Schuld, dass sie jetzt leidet. Vater hätte strenger mit ihr sein müssen.«
    »Aha.« Aus Rupperts wenigen Worten konnte Malu schließen, was sich auf Zehlendorf abgespielt haben musste. Cäcilie war nicht freiwillig in dieses Stift übergesiedelt, sondern von Ruppert einfach dorthin verfrachtet worden. Das wiederum bedeutete, dass der Bruder wohl für längere Zeit in Berlin bleiben würde.
    »Und wer leitet das Gut?«, wollte sie wissen.
    »Schwarzrock macht das. Auch das habe ich dir bereits geschrieben, wie du dich vielleicht erinnerst. Außerdem habe ich einen Mann im lettischen Parlament bestochen, der für die Landgüter zuständig ist. Der wird Schwarzrock auf die

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