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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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Seine Augen haben einen ganz besonderen Glanz, der ihm eine unnatürliche Lebendigkeit verleiht, obwohl er oft müde ist, vor allem am Spätnachmittag. Jemma weiß, warum er an den Abenden nicht mehr bei ihnen sitzt, obwohl er ihre Gesellschaft so sehr schätzt. Weil dann der Raum von seinem schweren Atem beherrscht würde.
    Es sind nun zwei Monate vergangen, seit Dr. Leask das letzte Mal in Red Ridge war. Wie die Male davor blieb er nur eine Nacht und brachte seine Zeit hauptsächlich damit zu, das Anwesen zu inspizieren und durchs Haus zu laufen. Als er sich bei Jemma und Nathaniel nach seinem Sohn erkundigte, maß er deren besorgten Gesichtern kaum Bedeutung bei. Henry, so erklärte er ihnen, neige zu Asthmaanfällen, die auch der Grund dafür seien, warum Dr. Leask darauf bestehe, dass er am Meer bleibe, wo die Luft frisch und belebend sei. Der Junge habe die notwendigen Inhalationsmittel und Pulver, die er für ihn zusammenmische, und Henry wisse genau, was er im Falle eines Anfalls zu tun habe. Jemma kann nur vermuten, dass Dr. Leask diese Scharade wegen des Kummers aufrechterhält, den der Tod seiner Frau ihm bereitet hat, und wegen seiner Verzweiflung ob der eigenen Unfähigkeit, seinem Sohn helfen zu können. Sie kennt diesen Impuls nur zu gut, dieses ständige Bemühen, die Gedanken abzuwehren, diese Weigerung, sich mit der Ursache des Schmerzes zu beschäftigen. Oder ist es, wie Nathaniel vermutet, einfach nur die Angst vor seinem kranken Sohn?
    Es ist Ebbe. Henry dreht Steine um, hebt hin und wieder einen auf und lässt ihn, nachdem er ihn untersucht hat, über das Wasser sausen. Astor beobachtet ihn neugierig und wartet auf sein Stöckchen.
    »Haben Sie sich schon mal gewünscht, ein Fossil zu finden?«, fragt er. »Von einem Dinosaurier oder einem Riesenwombat?« Dabei grinst er sie müde an. »Können Sie sich das vorstellen?«
    Er wartet die Antwort nicht ab. »Und was ist mit diesen Theorien von Mr. Darwin? Glauben Sie daran?« Henry ist heute in einer Verfassung, wo er nicht aufhören kann, Fragen zu stellen. Es gibt so viele Dinge, die er wissen möchte, so wenig Leute, die ihm etwas erklären können, und er hat so wenig Zeit, es herauszufinden. »Papa sagt, es sei das heißeste Thema im Klub.«
    Jemma wählt ihre Worte mit Bedacht. Für sie sei es keine Glaubensfrage. Entweder seien die Theorien über die Ursprünge des Menschen wahr oder falsch. Je mehr sie sich mit der Natur beschäftige, umso mehr sei sie geneigt, davon auszugehen, dass Darwin recht habe. Er solle zum Beispiel nur mal an den Zwergpinguin denken, den sie gefunden haben. Wie die anderen Vögel wird er einmal Flügel gehabt haben. Aber aus den Flügeln seien Flossen geworden. Vielleicht sei es aber auch genau andersherum. Dass sich bei den anderen Vögeln aus den Flossen Flügel entwickelt hätten, was bei dem kleinen Pinguin nicht passiert sei. Wie geschah dies und warum? Darwins Theorien böten Antworten, welche die Bibel nicht gebe. Sie verspricht Henry, Über die Entstehung der Arten und Die Abstammung des Menschen zu bestellen. Diese Bücher könnten sie zusammen lesen und die Sache dann selbst klären.
    Henry sieht sie traurig an. »Das dauert zu lang.«
    Jemma gibt vor, es nicht zu verstehen. Sie sieht einen kleinen braunen Frosch, der wohl vom Fluss heruntergespült wurde, hebt ihn auf und präsentiert ihn Henry.
    »Klasse?«
    Henry hält ihn in seiner Handfläche. »Amphibia.« Er macht einen selbstzufriedenen Eindruck. »Das bedeutet ein Doppelleben, nicht wahr? Halb im Wasser, halb auf dem Land.« Fast möchte er ihr sagen, dass er sie genauso sieht, wenn er sie draußen im Wasser oder aus der Brandung auftauchen sieht. Erzählt ihr beinahe, dass er ihr Doppelleben kennt. Aber seine Angst vor dem, was passieren wird, wenn er sie konfrontiert, ist dann doch größer. Er ertrüge es nicht, wenn sie sich von ihm abwenden würde.
    Irgendetwas an seinem Blick macht Jemma nervös. Sie hört sich ihm mit Lehrerstimme erklären, dass er Benennen-Können nicht mit Wissen verwechseln darf. »Zu wissen, wie etwas auf Griechisch oder Latein heißt, ist nicht Wissen. Wirkliches Wissen ist das Verständnis, wie und warum Dinge funktionieren. Wie ein Baum die Energie aus der Sonne zieht. Was die Planeten in ihren Bahnen hält. Warum manche Wesen aussterben und andere überdauern.« Warum ein Kind in seinem Schlaf stirbt .
    »Du lieber Gott!« Jemma blickt hinab auf ihren durchweichten Saum, als wolle sie damit ihren Ausbruch

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