Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)
einer Pergola, die Milchkammer und die Ställe. Vor lauter Begeisterung lacht er laut und klopft sich auf die Schenkel. Er kann sich kaum zurückhalten, sie in seine Arme zu schließen.
Der Impuls, das noch nicht gebaute Haus zu malen, hat Jemma fast genauso überrascht wie Gotardo. Bisher hatte sie das Gefühl, ein Heim erschaffen zu müssen, nicht gekannt. Solange ihr Vater lebte, war er ihr Zuhause: Der Duft seiner Pfeife, der immer an seinen Kleidern und seinem Bart hing, sein Gesang, wenn er Ausschnitte aus seinen Lieblingsopern schmetterte, sein Anblick im Hof hinter dem Haus, wo ihm zwei oder mehr alte Elstern aus der Hand fraßen. Jeden Abend saßen sie bei einem Glas Sherry im Wohnzimmer und besprachen die Ereignisse des Tages. Seine Abwesenheit hatte sie nur ertragen können, weil ihr Traum, wegzusegeln und in Europa ein neues Leben und ein neues Zuhause zu finden, wo man ihre Fähigkeiten erkannte und sie das Gefühl bekäme dazuzugehören, sie aufrecht hielt. Aber jetzt wird ihr klar, dass die Liebe einem eine Richtung zu weisen vermag, die man sonst nie ins Auge gefasst hätte, und es auch noch andere Wege gibt, diesen Traum zu leben.
Jemma beobachtet Gotardo mit wachsender Begeisterung. Er nimmt das Gemälde in seine Hände, als wolle er es umarmen. Dann stellt er es vorsichtig wieder zurück auf die Staffelei und wendet sich ihr zu. Bis zu diesem Moment hat sie nicht zugelassen, sich mit den Konsequenzen ihres Tuns zu befassen. Anfangs hatte sie sich eingeredet, es sei eine interessante Erfahrung: ein Haus aufgrund des groben Plans heraufzubeschwören, den er ihr gezeigt hatte. Doch als das Haus auf der Leinwand Gestalt annahm, wurde es immer mehr zu einem Ort, den selbst zu bewohnen und dort glücklich zu sein sie sich vorstellen konnte. Ein Haus der Liebe. Eine pastorale Idylle, umgeben von grünen Feldern, Weinbergen und Obstgärten, ein Ort der Zufriedenheit und Freude, wo ihre Kunst gedeihen konnte. Zusammen mit der Milchkammer und den Ställen im hinteren Teil hatte sie noch ein drittes Gebäude eingefügt – wenngleich keiner, der das Gemälde betrachtete, es in den schattenhaften Umrissen, versteckt hinter Ranken und Blumenbeeten, hätte entdecken können. Ein Atelier.
Mutig greift Gotardo nach ihren farbfleckigen Händen. Seine dunklen Augen sind größer als sonst, und er betrachtet sie voller Hoffnung, doch auch voller Angst, etwas zu sagen.
Jemma weiß, was kommen wird, und ist bereit. Ja , sagt sie zu sich, ich will und ich werde es tun .
Aus der Küche der Serafinis kann Celestina die beiden auf der unteren Weide sehen, ihre sich vor der Dämmerung abhebenden Silhouetten. Sie hatte die Szene mit wachsender Erregung verfolgt, wagt es aber nicht, ihre Vermutung vor Pliny oder Marina auszusprechen. Den Ausdruck auf Jemmas Gesicht vermag sie nicht zu deuten, dazu sind sie zu weit weg. Erst als Gotardo Jemma in seine Arme schließt und sein Gesicht in ihrem Haar vergräbt, weiß Celestina mit Sicherheit, dass die Frage gestellt und mit Ja beantwortet wurde. Sie geht zur Tür und erwartet die beiden auf der Veranda, ihren lieben Vetter und ihre liebste Freundin, die nun Hand in Hand den Pfad zu ihr heraufsteigen.
Er warnt sie, dass sie bärbeißig sein können. (Später wird sie ihnen den Namen »die grimmigen Brüder« geben.) Die Brüder haben so lange wüst gelebt, dass ihnen gar nicht klar ist, welchen Eindruck sie machen. Und wenn sie erst mal erfahren haben, dass er Jemma den Hof macht, bringt er aus ihnen wohl gar kein Wort mehr heraus.
Deshalb ist es wichtig, ihnen seine Zukünftige so schnell wie möglich vorzustellen, ehe sie von jemand anderem von der Verlobung erfahren und Felice womöglich darüber informieren. Wenn sie es darauf anlegten, könnten Sie ihm ganz leicht Schaden zufügen, und deshalb sind seine Hände auch feucht, als Jemma und er sie an Plinys Eingangstor erwarten.
Zusammen mit fünf anderen haben die Brüder den Nachmittag damit zugebracht, ein weißes Känguru zu jagen, das tags zuvor in der Nähe von Chokem Gully gesichtet worden war. Gotardo und Jemma sehen die Männer den Berg heraufstapfen: eine Meute finster dreinblickender, zerlumpt aussehender Jäger, die nicht einmal ein totes Opossum erbeutet haben. Er deutet auf die beiden derb aussehenden Männer mit den wilden Bärten am Ende der Gruppe. Gewiss sind sie schlechter Stimmung, die nachmittägliches Zechen noch schlimmer gemacht hat. Weil er es rasch hinter sich bringen möchte, winkt Gotardo seine
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