Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)
aus, dass er ihm nicht mit Drohungen kam, sondern Marcus einfach beiseitenahm und ihm erklärte, er habe das Zeug dazu, jemand zu sein, sofern er bereit sei, etwas dafür zu tun. Dies bedeutete, dass er noch länger in der Schule durchhalten musste, doch Marcus wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, dass er damit keine Probleme hatte und seine Ausdauer am Ende belohnt werden sollte.
Und so wartet er auch jetzt wieder auf den richtigen Zeitpunkt. Zwar weiß er nicht, wie sich die Dinge entwickeln werden, aber er zweifelt nicht daran, dass Jemma Musk sein Schicksal ist. Dass seine Versetzung hierher nach Wombat Hill so problemlos bewilligt wurde, bestätigt ihn in dem Glauben, die Vorsehung habe es so bestimmt. Jemma hatte ihm einmal gesagt, sie bewundere seine Beharrlichkeit, die Entschlossenheit, derer es bedurft hatte, seine Lehrer eines Besseren zu belehren. Nun gut, dann wird er auch ihr zeigen, wie viel Entschlossenheit in ihm steckt. Er hat erfahren, dass ein Milchbauer ihr den Hof macht, einer der vielen Spaghettifresser, die in dieser Stadt wohnen. Für ihn ist es unbegreiflich, dass sie sich mit einem Schweizer Bauern zufriedengibt, doch nicht jetzt, da sie weiß, dass er hier ist. Er wird ihr zeigen, dass er sich geändert hat, und dann wird sie merken, dass es so sein soll.
Zwei Monate nach seiner Ankunft in Wombat Hill wird Marcus O’Briens Geduld belohnt, als der Constable außer Dienst die First Colonial Bank kurz vor Geschäftsschluss betritt und mitten in einen Banküberfall platzt, durch den er zum Lokalhelden hochgejubelt wird und in fast jeder Zeitung des Landes Erwähnung findet.
Er hat sich gerade erst in der Schlange angestellt und beginnt eine harmlose Plauderei mit dem Schmied des Orts, als der Mann hinter ihm sich ein Tuch über die Nase zieht und mit einer Waffe herumfuchtelt. Ein weiterer Mann, ähnlich ausgestattet, eilt nach vorne, hält dem Kassierer eine Pistole an den Kopf und verkündet, er werde jeden erschießen, der sich regt. Constable O’Brien ist anhand des aufgeregten Auftretens der Männer und der alten Pistolen mit nur einem Schuss Munition, mit denen sie herumfuchteln, sofort klar, dass es sich um Amateure handelt, die vielleicht sogar ihr erstes Ding durchziehen. Sie haben sogar vergessen zu überprüfen, ob jemand bewaffnet ist. O’Brien liegt wie befohlen auf dem Bauch, schafft es aber, seine linke Hand unter seine Jacke zu schieben, unter der er, festgeschnallt in einem Halfter, seine Pistole trägt. Er umfasst den Kolben seiner Waffe und wartet, während der Kassierer mit aschfahlem Gesicht Geldnoten in einen Stoffbeutel stopft. Mit Schweißperlen auf der Stirn drängen die Männer den Kassierer zur Eile. Als unerwartet ein Kunde an der abgeschlossenen Eingangstür der Bank rüttelt, wirbeln die beiden Männer herum und richten ihre Waffen auf die Lärmquelle. Diesen Moment nutzt O’Brien, rollt sich auf den Rücken und schießt beiden Männern in den Hinterkopf.
Später erzählt er den Zeitungen, dass er als Junge an den Wochenenden immer unten am Fluss in der Nähe von Fitzroy, wo er damals gelebt habe, auf Kaninchen- und Fuchsjagd gegangen und in der Nachbarschaft für seine Treffsicherheit bekannt gewesen sei. (Er versagt es sich, von seiner erlesenen Revolversammlung zu erzählen, die er sich zugelegt hat, darunter ein amerikanischer Colt und eine Whitney, beide mit Kaliber .36, und eine englische Tranter .442, dasselbe Modell, das von dem Sonderkommando benutzt wurde, das Ben Hall niederstreckte.) Noch Wochen später kann er nicht durch die Straßen von Wombat Hill gehen, ohne dass Leute auf ihn zueilen, um ihn für seine Tapferkeit zu loben. Geschäftsleute bieten ihm Geschenke aus ihren Läden an, Wirte servieren ihm Freigetränke, junge Frauen schenken ihm ihr einladendes Lächeln. Man hat ihn zum Sergeant befördert, und der Bürgermeister verleiht ihm eine Medaille für seine Verdienste um die Stadt. Er wird gebeten, auf den monatlichen Treffen des Manchester Unity Independent Order of Oddfellows und der Ladies’ Guild zu sprechen. Und er malt sich aus, wie es wäre, in seine alte Schule zurückzukehren, stellt sich vor, wie genau die Lehrer, die ihm prophezeit hatten, aus ihm werde nichts, es eilig hätten, auf ihn zuzugehen, um ihm die Hand zu schütteln. Vor allem aber klammert er sich an das Bild von Jemma, die an ihrem Schreibtisch sitzt und für ihn eine Notiz mit der Bitte um Verzeihung und dem Versprechen ihrer ewigen Liebe verfasst.
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