Sehnsucht
Begabung, eine starke energetischeAufladung durch sexuelle Impulse und ein intergenerationelles Muster zusammen. Alle drei Aspekte verstärken sich gegenseitig. Diese besondere Mischung ist kaum aufzuhalten, nicht einmal durch beruflichen Erfolg, eine bürgerliche Ehe und fünf Kinder. Sie erscheint wie eine unzivilisierte, urwüchsige Kraft, die sich nicht nur in der Sehnsucht nach der Malerei und nach dem Paradies am Ende der Welt ausdrückt, sondern in den Motiven und Themen der Malerei selbst auch. August Strindberg hat es in einem Brief einmal so formuliert:
Er ist Gauguin, ein Wilder, der die hemmende Zivilisation hasst, irgendwo Titan, der den Schöpfer beneidet und in verlorenen Augenblicken seine eigene Schöpfung macht, ein Kind, das sein Spielzeug auseinandernimmt, um neues zu fertigen, ein Leugner und Gegner, einer, der den Himmel lieber rot sieht, als ihn blau mit der Masse zu sehen. 24
Eben ein revolutionärer und sehnsüchtiger Mann, auf den seine nicht minder sehnsüchtige und revolutionäre GroÃmutter stolz gewesen wäre, obwohl sie schon tot war, als er geboren wurde. Aber manchmal werden die Kinder und Enkelkinder zu Delegierten, um Themen weiterzuführen oder Konflikte zu lösen, die im eigenen Leben keinen Platz mehr hatten.
3. Â
Gib meine Jugend mir zurück! â
Das Risiko der Lebensbilanzen
Und niemand hat Erwünschtes fest in Armen,
Der sich nicht nach Erwünschterem törig sehnte,
Vom höchsten Glück, woran er sich gewöhnte;
Die Sonne flieht er, will den Frost erwarmen.
Johann Wolfgang von Goethe
Faust, Zweiter Teil
Sie glauben, ein relativ glückliches Leben zu führen? Sie halten sich für einen vollkommen normalen Menschen? Sie sehen sich sogar als einen freundlichen und angenehmen Zeitgenossen? Sie meinen, immer noch Normalgewicht zu haben? Sie fühlen sich begehrt und empfinden ihre Sexualität als leidenschaftlich? Sie halten sich für einen einigermaÃen gebildeten Menschen? Sie finden ihre Ansichten in der Kindererziehung richtig? Sie halten Ihren Fernsehkonsum für selbstbestimmt? Sie gönnen sich wirklich nur das Nötigste? Sie stehen politisch immer noch in der Mitte? Sie halten sich angesichts ihres Alkoholkonsums nicht für suchtgefährdet? Und in Ihrer Persönlichkeit sehen Sie weder labile noch depressive Züge? Sie sind also mit sich und ihrem Leben wirklich zufrieden?
Sie täuschen sich!
Wann haben Sie zum letzten Mal eine ehrliche Lebensbilanz gezogen? Wann haben Sie in letzter Zeit tief in den Spiegel ihrer Seele geschaut? Ich meine nicht den ewigen Selbstbetrug und dieglänzende Schönfärberei, mit der Sie sich stets selbst beruhigen. Mir geht es um eine schonungslose und wahrhaftige Lebensbilanz, der Sie stets ausweichen. Und warum stellen Sie sich dieser Bilanz nicht? Richtig, weil Sie Angst davor haben! Sie haben die berechtigte Angst, dass Ihre gut gepflegten Ãberzeugungen nichts anderes als Selbsttäuschungen sind. Ja genau, dass sie sich selbst und anderen etwas vormachen! Und das nicht erst seit gestern, sondern schon solange Sie denken können.
Gut, jetzt verstehen wir uns und können hoffentlich offen weiter miteinander sprechen.
Nun stellen Sie sich einmal vor, Sie könnten Ihr Leben noch einmal ganz von vorne beginnen, Sie bekämen eine zweite Chance. Sagen wir einmal, Sie wären wieder Kind und könnten noch einmal zur Schule gehen und von dort an alles noch einmal erleben. Was würden Sie im Leben anders machen? Welchen Beruf würden Sie ergreifen wollen? Welchen Liebespartner würden Sie suchen? Und würden Sie wirklich noch einmal heiraten, womöglich sogar denselben Partner? Würden Sie Kinder haben wollen oder doch nicht? In welchem Land würden Sie leben wollen, in welcher Kultur? Welche Sprachen würden Sie sprechen wollen? Welche Musikinstrumente würden Sie spielen wollen? An welchen entscheidenden Stellen Ihres Lebenslaufes würden Sie sich diesmal für eine andere Richtung entscheiden?
Nein, fangen Sie nicht wieder mit der Lügerei an, bleiben Sie bitte für den Moment unseres kleinen intimen Gesprächs ehrlich. Sie würden nicht wieder alles genauso machen, das sagen Sie nur, um ihr mittelmäÃiges Dasein vor jeglicher Infragestellung zu schützen. Wenn Sie wirklich ehrlich sind, würden Sie fast gar nichts genauso machen. Nun seien Sie nicht gekränkt und beleidigt. Warten Sie, wir
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