Sehnsuchtsland
in die Arme. »Gunilla und ich haben immer im Stehen einen Kaffee getrunken«, sagte er in ihr Haar hinein. Seine Stimme ließ erkennen, dass ihm das Thema nicht behagte. Im nächsten Moment beugte er sich über sie, um sie zu küssen. Linda schmolz unter seiner Berührung, und ihr Herz klopfte so fest, dass sie sicher war, er könne es hören. Der Wind streifte über ihre nackten Beine und wehte unter der Decke kalt an ihrem Körper hoch, doch sie war von solch einer inneren Hitze erfüllt, dass es keine Rolle spielte.
»Das wird sich jetzt ändern«, flüsterte sie, während sie ihn abermals küsste. »Vieles wird sich ändern!«
Er erwiderte den Kuss, zuerst zärtlich, dann mit ungehemmter Leidenschaft. Nur einen Augenblick später war das Frühstück vergessen.
Als sie später im Laufe des Morgens doch noch zusammen Kaffee tranken und sich über die mitgebrachten Brötchen und Gebäckstücke hermachten, hatte Linda nicht die geringste Ahnung, wie spät es war. Sie hatten es sich auf der Eckbank vor dem Fenster bequem gemacht, die Kaffeetassen in der Hand. Linda hockte mit angezogenen Beinen auf der Bank, den Kopf in seine Armbeuge gekuschelt und ihren Rücken gegen seine Brust geschmiegt. In dem kleinen Kaminofen prasselte ein Feuer, und gemütliche Wärme erfüllte die Hütte. Draußen pfiff der Wind durch die Föhren und peitschte die Büsche gegen den Hang, und Linda empfand es als eigentümlichen Gegensatz zu der beinahe friedvollen Ruhe, die in ihrem Inneren herrschte. Sie spürte sein Herz unter ihrer Wange schlagen und wünschte sich, ihm für den Rest ihres Leben so nah zu sein wie an diesem magischen Morgen.
»In dieser Nacht damals«, begann Henrik leise. »Dort auf der Terrasse... Ich weiß nicht, warum ich dich nicht einfach festgehalten habe...«
Sie spürte, wie sehr ihm diese Frage zusetzte. Er hatte schon letzte Nacht darüber sprechen wollen, doch dann war es in der Hitze ihrer Leidenschaft untergegangen.
»Du hast Gunilla geliebt«, sagte sie ebenso leise. »Am nächsten Tag war eure Hochzeit.«
»Es war so schön, dich im Arm zu halten.« Er küsste sie auf den Scheitel. »Irgendwie so... selbstverständlich.«
»Vielleicht zu selbstverständlich.«
»Du hättest nicht weglaufen sollen.«
»Was hätte ich denn sonst tun sollen?« Sie konnte nicht verhindern, dass Bitterkeit aus ihrer Stimme klang. »Meiner Schwester den Mann wegnehmen?«
Er räusperte sich. »Wie geht es jetzt weiter mit uns?«
Seine Frage zerriss das träumerische Gespinst zärtlicher Zweisamkeit, und Linda fühlte sich mit einem Ruck in die Wirklichkeit zurückversetzt. Unbehaglich löste sie sich aus seiner Umarmung und setzte sich langsam auf. »Ich weiß nicht«, sagte sie zögernd. »Du bist noch nicht geschieden. Und ich... Ich habe einen Hochzeitstermin...«
»Du wirst ihn nicht heiraten«, sagte Henrik kategorisch.
Das brachte sie aus unerklärlichen Gründen auf. »Was erwartest du? Dass ich wieder emotional handle? Alles hinwerfe? Weglaufe? Und wieder deinetwegen?«
»Ja!« Er umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht und hielt es fest, sodass sie seinen Blicken nicht ausweichen konnte. »Weil nämlich diesmal die Richtung stimmt!«
Seine letzten Worte fielen mit dem Klingeln ihres Handys zusammen.
Er wollte sie nicht loslassen. »Geh nicht ran!«, befahl er.
Doch sie entzog sich ihm und stand von der Bank auf, um ans Telefon zu gehen, plötzlich von unguter Vorahnung erfüllt.
»Linda?« Es war Greta. »Du musst kommen. Dein Vater hatte einen Schlaganfall.«
*
Henrik parkte den Jeep direkt vor dem Eingang der Klinik. Später konnte er immer noch einen Parkplatz suchen, wenn sie erst wussten, wie es Lennart ging. Linda war vor Angst und Panik völlig durcheinander, und egal, was er während der Fahrt zu ihr gesagt hatte, um sie zu beruhigen — sie war davon überzeugt, dass ihr Vater sterben würde und dass sie schuld war, weil sie ihn aufgeregt hatte.
Als sie ausstiegen, klingelte sein Handy, und als Henrik abhob, tat er es in der Befürchtung, eine weitaus schlimmere Nachricht zu hören als die, die Linda vorhin erhalten hatte. Doch es war weder Greta noch sonst jemand aus dem Krankenhaus, sondern seine Frau.
»Henrik, Überraschung!«, flötete ihre Stimme aus dem Hörer. »Ich bin gerade frisch aus London in Göteborg gelandet!«
»Ja, schon gut«, sagte er ungeduldig. »Wir sind gerade dabei, ins Krankenhaus zu gehen.«
» W-was ?«, stotterte sie. »Wovon redest du überhaupt?«
»Von
Weitere Kostenlose Bücher