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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Woodtli
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verlässt das Wohnzimmer. Sie scheint nicht vorzuhaben, ein Wort mit ihm zu wechseln.
    Und so geht es weiter. Sie zieht Lilli warm an und greift nach ihrem Autoschlüssel. Er schaut genau hin: Nimmt sie Gepäck mit? Hat sie vor, Lilli mitzunehmen und ihn zu verlassen? Aber dem Einkaufskorb nach zu urteilen, will sie wohl in den Supermarkt. Sie verlässt die Wohnung ohne ein Wort und ohne einen weiteren Blick in seine Richtung. Irgendwann kommt sie wieder, verstaut die Einkäufe im Kühlschrank und wickelt Lilli. Danach beginnt sie zu kochen und hört dazu die Sieben-Uhr-Nachrichten im Radio. Sie macht Abendessen für sich und Lilli, sie fragt nicht, ob er etwas will. Er bleibt auf dem Sofa und versucht weiter, die Widmungen für das Booklet von ‚No way out’ zu schreiben. Er sollte die Widmung endlich Alys liefern, damit sie das Booklet beenden kann. Aber die Aufgabe scheint unlösbar. Er sitzt seit Stunden hinter dem gleichen Worddokument, die Worte sind ihm schon lange ausgegangen. Was soll er in der Widmung für Irina schreiben, nach allem, was er ihr angetan hat? Nachdem er nicht mal mehr weiss, wo sie stehen, was er will und was als nächstes geschieht.
     
    *
     
    Alys weiss nicht, wie sie die nächsten Tage hinter sich bringen soll. Irgendwie werden sie vorbeigehen. Die meiste Zeit verbringt sie mit Illustrator, ihrem Grafikprogramm. Am Donnerstagabend hat Eliot ihr die Dankestexte und Widmungen per Mail geschickt – sie muss sie noch ins Booklet einfügen. Als sie beim Dankestext für sich selbst, jenem für Irina und schliesslich der Widmung an sich ankommt, beginnt sie zu weinen und muss die Arbeit unterbrechen.
    Alys Allenbach, für das allerschönste CD-Booklet, für unzählige Kaffees und überhaupt ...
    Irina, für Liebe, Unterstützung und das grösste Geschenk meines Lebens, unser Kind. Ich liebe dich, was auch immer die Zukunft bringen mag.
    Dieses Album ist für Lilli, meinen kleinen Stern, das Beste, das ich je zustande gebracht habe. Hör nie auf, für mich zu leuchten!
    Eliot schreibt ihr ein-, zweimal am Tag eine SMS. Meistens will er wissen, wie es ihr geht und was sie macht, manchmal enthalten die SMS auch Geschäftliches zum Auftrag. Klarheit bringen sie ihr nicht. Auf die Frage, wie es ihm geht, schreibt er nur „es ist schwierig“ zurück – mehr getraut sie sich nicht zu fragen. Zum Beispiel, ob er zuhause ist oder sonstwo, ob Irina ihn aus der Wohnung geschmissen hat oder nicht, ob sie überhaupt miteinander reden und die Frage, die sie am meisten beschäftigt, obwohl sie sich dafür verabscheut, ob sich Irina von ihm getrennt hat oder ob sie mit dem Gedanken spielt – oder ob er mit dem Gedanken spielt.
    Am Sonntag gegen 15 Uhr klingelt es an der Tür. Sie springt auf. Eliot.
    Endlich.

 
    AUF DEM FALSCHEN FUSS
     
    Es ist nicht Eliot. „Hallo“, sagt Irina. Sie ist nicht allein, das Kind auf ihrer Hüfte blickt Alys mit grossen Augen entgegen. Studiert ihr Gesicht auf diese typisch kindlich-verblüffte Art. Die Farbe der Augen ist Alys schmerzhaft vertraut. Eliots Braun. Seine Augen. Sein Kind. Lilli.
    Ihr ganzer Bauchraum verkrampft sich. „Kann ich reinkommen?“ Irinas Tonfall ist nicht zu deuten, aber ihre Augen sind aus Eis. Alys will etwas sagen, aber sie kann es nicht, also öffnet sie einfach die Tür. Irina schiebt sich an ihr vorbei. Alys steht in ihrem eigenen Flur, unfähig, sich zu bewegen, Irina hängt ihren Mantel an den Kleiderständer, eine fast selbstverständliche Bewegung, fast wie Eliot. Irinas Blick fällt durch die halb offene Tür ins Schlafzimmer, bleibt an der Elfe an der Wand hängen und am nicht gemachten Bett. Es ist zerwühlt, weil Alys sich in den letzten Nächten im Schlaf gewälzt hatte, falls sie denn überhaupt Schlaf gefunden hatte.
    „Ist es hier passiert?“
    „Was?“, bringt Alys nur hervor. Irina scheint ihr die Fähigkeit genommen zu haben, aus Wörtern ganze Sätze zu bilden. „Du hast mich richtig verstanden. Hast du hier mit ihm geschlafen? Unter anderem?“ Sie mustern sich, lange, bis Alys ihrem Blick nicht mehr standhalten kann. Stattdessen blickt sie zu Boden. Von Lilli kommt kein Mucks, sie betrachtet die fremde Frau.
    „Nein“, sagt Alys dann.
    „Ich habe schon zu Eliot gesagt, er soll mich nicht anlügen.“
    Alys blickt Irina wieder an, obwohl es wehtut. Blau trifft blau. „Ich lüge nicht. Er war oft hier aber hier ist es nie geschehen.“ Sie beisst sich auf die Innenseite der Wange. „Warum fragst du mich

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