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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Woodtli
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das Studio eine Einheit. Wer weiss, ob der Mann überhaupt ein Zuhause hat? Wahrscheinlich schon, aber nach all den Jahren kennt er kaum etwas Privates über Max. Kaum ist gut. Nichts. Er steht auf, greift nach seiner Jacke, hängt sich die Tasche über die Schulter, steckt Zigarettenschachtel und Feuerzeug in die Jeanstasche. „Bye“, sagt er. Max lässt etwas hören, dass ein Abschiedswort sein könnte und hört sich einen Take an. Das Riff von ‚Candy’ schallt durch den Raum. Eliot hört zwei, drei Takte zu, dann zieht er die Tür hinter sich ins Schloss.
    Draussen hängt die Nacht schwarz und schwer über dem Parkplatz. Es ist verdammt kalt. Er zurrt den Reissverschluss seiner Jacke zu und setzt sich ins Auto. Dreht die Heizung auf. So sehr er sein eigenes Auto liebt, die Heizung von Irinas Auto ist Luxus pur. Dann fällt ihm ein, dass irgendwann eine Nachricht von ihr reingekommen war. Er hat sie noch nicht gelesen. Sie bittet ihn, auf dem Heimweg ein paar Sachen einzukaufen. Er studiert die Liste. Milch, Salat, Windeln, Joghurts und Lillis Babyshampoo – „Keine Tränen mehr“, wenn das nur stimmen würde, Lilli hasst Haare waschen. Das einzige Geschäft, das jetzt noch offen hat, ist das Lebensmittelgeschäft im Bahnhof, wo sich die Kunden auch um diese Zeit noch gegenseitig auf die Füsse treten ... Er erweitert die Liste im Kopf um eine Stange Zigaretten, ein paar Tafeln seiner Lieblingsschokolade, Lindt Excellence Orange Intense Noir , und Kopfwehtabletten aus der Bahnhofapotheke. Ich fahr jetzt los und geh noch einkaufen. X. tippt er ins Handy und drückt „Senden“. Danke. Wir haben dich vermisst. X. flammt gleich darauf auf dem Bildschirm auf.
     
    *
     
    Er versucht seine bewährte Einkaufstrategie anzuwenden. Einen Korb nehmen, im Eiltempo durch den Laden rauschen, gezielt die Regale ansteuern, nicht unnötig nach links und rechts schauen. Aber es ist Freitagabend, der Laden voll und seine Strategie versagt.
    Eliot zieht sich die graue Strickmütze tief ins Gesicht und weicht einem Ehepaar aus, das sich in der Gemüseabteilung in die Haare geraten ist. Bei den Regalen mit dem Alkohol lungern Jugendliche herum, schon aufgemotzt für den Ausgang. Die Jungen mit sorgfältig in Form geklebten Frisuren und der neuesten Turnschuhmode an den Füssen. Die Mädchen in Kleidchen, die zu kurz und zu dünn sind für die Jahreszeit. Er weiss nicht, was sie da beim Alkohol wollen, schliesslich steht an den Regalen gross und deutlich angeschrieben ‚Kein Alkoholverkauf nach 20 Uhr’. Das neue Gesetz, das dem Jugendschutz dienen soll. Und 20 Uhr ist bereits vorbei.
    Als nächstes läuft er zwei Frauen Anfang 20 über den Weg, die sich über die Vorzüge irgendeines Diät-Joghurts unterhalten. Eine blickt auf, als er an ihr vorbeigeht, ihre Blicke kreuzen sich und er erkennt den Ausdruck auf ihrem Gesicht: Erkennen, dann Abwägen, „Ist er das wirklich?“
    Er beschleunigt sein Tempo als er aus dem Augenwinkel sieht, wie sie ihre Kollegin in die Seite stupst, auf sie einwispert, „das ist doch Eliot Wagner ...“ Normalerweise ist er immer für ein Autogramm oder ein Foto zu haben, meistens sind sie nett und nicht aufdringlich, sogar etwas schüchtern ... Aber heute lieber nicht.
    Eliot geht hinter dem Regal mit den Konserven in Deckung, geht im Kopf die imaginäre Einkaufsliste durch: Babyshampoo, ja, Schokolade, ja, Salat, ja, Weichkäse, ja ... Er fischt eine Packung Windeln aus dem Gestell, ich habe alles, und stellt sich in die Schlange, die den Anschein macht, die kürzeste zu sein. Es ist Freitagabend, der Laden voll und es dauert ewig. Die Kassiererin schaut unter schweren Lidern zu ihm auf, sie erkennt ihn offenbar nicht, obwohl sie aussieht, als könnte sie eine Sehnsüchtig-Zuschauerin sein. Gut so. Er fragt sie nach einer Stange seiner Zigarettenmarke, sie nickt, gähnt gleichzeitig und holt sie aus dem Regal hinter sich.
    Mit einer Einkaufstüte in jeder Hand nimmt er die Rolltreppe hoch in die Bahnhofshalle. Auch hier tobt der Freitagabend. Er schlängelt sich zwischen den Wartenden am Treffpunkt hindurch, links ausweichen, rechts ausweichen, dann hört er jemanden hinter sich seinen Namen sagen. Er dreht sich um. Die Frau reicht ihm kaum bis zur Schulter obwohl sie Schuhe mit Wahnsinnsabsätzen trägt, rote Pumps mit Bleistiftabsatz, sexy, denkt er. „Hallo“, sagt sie. Obwohl er sie erst einmal live und einmal auf einem Skype-Bildschirmfenster gesehen hat, erkennt er sie auf Anhieb. Die

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