Sehnsüchtig (German Edition)
wenig. Alys verkneift sich ein Lächeln. Die ruhige, ernste Art hat sie von Lydia. Das Interesse an Menschen und die kreative Ader von ihm. Und die Angewohnheit, ab und zu ein Glas zu viel zu trinken.
„Jetzt erzähl mal“, fordert er sie auf. „Wie läuft das Geschäft? An was arbeitest du gerade?“ Alys nimmt noch einen Schluck Wein. „Es läuft gut. Zurzeit arbeite ich an einem CD-Booklet für Eliot Wagner.“
Ihre Mutter blickt von ihrem Kuchenteller auf. „Das ist doch dieser Musiker?“ Alys stellt das Glas ab. „Schaust du etwa ‘Sehnsüchtig’, Mama?“ Ihre Stimme klingt amüsiert. „Deine Mutter verpasst keine Folge davon“, sagt Georg auf der anderen Seite des Tisches. Alys lächelt. „Das wusste ich nicht. Ja, Eliot hat den Titelsong geschrieben.“
„Ich kenne ihn von seinen Gastauftritten“, sagt Lydia und zählt etwas an den Fingern ab. „Dreimal ist er bis jetzt vorgekommen. Einmal hat die Band auf der Geburtstagsfeier von Aischa gespielt“.
„Wer ist Aischa?“, will Alys wissen.
„Die Hauptfigur“, sagt Lydia als wäre es selbstverständlich, dass man das weiss. Alys lacht. „Ich kenne die Serie nicht, Mama. Ich kannte Eliot nur aus der Zeitung und aus dem Radio. Dann hat mich Mascha an ein Konzert mitgenommen. Eine Woche später hat Eliot wegen dem Auftrag angerufen.“ Bei der Erwähnung des Vornamens hebt ihre Mutter eine Augenbraue als wolle sie etwas sagen , oder fragen, aber stattdessen nimmt sie einen Schluck Wein.
„Ein schöner Mann“, meint sie dann. Alys blickt auf. Ein schöner Mann. Welch ungewöhnliche Worte aus dem Mund ihrer Mutter. Sie kann sich nicht daran erinnern, dass Lydia je einen Mann als ‘schön’ bezeichnet hat. Ihre Mutter überrascht sie immer wieder.
„Ja, er sieht gut aus“, sagt sie dann beiläufig und stochert in ihrem Kuchen. „Er ist sehr sympathisch“, schiebt sie nach, und sich gleich darauf einen Bissen Kuchen in den Mund. „Du magst ihn“, stellt ihr Vater fest. Lydia blickt zwischen ihrem Mann und ihrer Tochter hin und her. Alys schluckt den Kuchen hinunter. Ihrem Vater entgeht nie etwas. Eigentlich eine gute Eigenschaft für jemanden, der Kameras und Zubehör verkauft. Seine Kunden mögen ihn. Er ist ein talentierter Verkäufer.
„Ja, ich mag ihn.“
Ihr Vater grinst. „Heisst das, wir bekommen einen Rockmusiker zum Schwiegersohn?“ Alys kennt seinen Hang zu trockenen Sprüchen eigentlich, aber manchmal rechnet sie nicht damit. Wie jetzt eben. Sie fühlt ihre Wangen warm werden. Keiner kann sie so schön in Verlegenheit bringen wie ihr Vater. Mal abgesehen von Eliot vielleicht. Toll, ihr habt etwas gemeinsam . Sie hofft, dass ihr Vater die warmen Wangen nicht bemerkt.
„Ich muss dich enttäuschen“, sagt sie dann möglichst unbefangen. „Eliot ist liiert und hat eine kleine Tochter.“
„Stimmt, das habe ich in dieser Illustrierten beim Friseur gelesen“, sagt Lydia.
„Schade, ein Rockmusiker in der Familie hätte mir gefallen“, meint Georg. Kein Wunder. Die Liebe zu Gitarrensolos, harten Riffs und Rock’n’Roll hat Alys von ihm. Lydia hört lieber Klassik. Ein empörtes Mauzen beendet das Thema. Rosso stolziert in den Raum, nimmt Anlauf und landet auf Alys’ Schoss. Der familieneigene Stubentiger, rot, wie sein Name es verrät, vergräbt seine Krallen in ihren Jeans und stupst seinen Kopf gegen ihre Hand. Ihre Eltern fragen nicht weiter nach Eliot Wagner.
*
Sie blickt von einer Hand zur anderen, wiegt links Spitze gegen rechts Seidenimitat ab. „Weder noch!“ Maschas Stimme nimmt ihr die Entscheidung ab, dann kommt ihre Hand, nimmt ihr beides weg und wirft es aufs Bett. Schwarz flattert beides herab, drapiert sich über mehr Schwarz. Alles gibt es da, glänzend, matt, spitzenbesetzt, nietenbesetzt, mit Pailletten.
„Aber das sind meine beiden Lieblingskleider“, protestiert Alys. „Nein“, sagt Mascha und es klingt endgültig. „Und auch nichts von alldem da“, fügt sie hinzu und zeigt mit spitzem Finger auf das Bett, das mit Kleidern übersät ist.
„Sag mal, hast du eigentlich nur schwarzen Kram?“, will sie wissen und wiegt ihre Hüften langsam von links nach rechts, wie immer wenn sie nachdenkt. Ihre Stirn furcht sich während sie den beinahe leeren Kleiderschrank betrachtet. „Nicht nur“, behauptet Alys. „Aber fast“, seufzt Mascha.
„Warum kann ich nicht schwarz tragen?“, will Alys wissen. „Ich mag Schwarz“.
„Offensichtlich“, meint Mascha trocken. Beide
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