Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
die zuständigen Redakteure, nicht immer wieder darauf hingewiesen, dass der Stoff frauenaffin zu sein habe, was so viel bedeute, dass Frauen nicht nur im Drehbuch eine entscheidende Rolle zugeschrieben werden muss, sondern die ihnen auf Leib und Seele zugeschriebenen Eigenschaften und Probleme viele Frauen bei der Ausstrahlung ansprechen sollten, auf dass sie sich in denen wiedererkennten.
Und so weiter.
In ihrer Ohnmacht fühlen sich Autoren von mächtigen Auftraggebern zu Erfüllungsgehilfen degradiert. Sie wollen stets lesen, was sie selbst nicht schreiben können. Das ist natürlich übertrieben und wie so vieles in diesem Buch gemein verallgemeinert. Es ging in der Branche ja nie anders zu, weil ein herausragender Film zwar von den Einfällen einzelner Genies – Schauspieler, Autoren, Regisseure – geprägt wurde, aber das dann versendete Produkt immer die Leistung eines eingespielten Teams war. Außerdem gibt es auf der anderen Seite nicht nur arrogante Blödmacher, sondern ebenso viele Beispiele von gebildeten menschenfreundlichen Redakteuren, die es tatsächlich besser wissen als bei ihnen vorstellig werdende scheinbar freie Radikale und mit den feinen Heckenscheren professioneller Gärtner
die dramaturgischen Verwucherungen zurechtschneiden, um eine ihrem Ressort anvertraute Pflanze vor dem Unterpflügen zu retten, sie doch noch erblühen zu lassen.
Was sichtbar ist, egal, in welchem Kanal, sind dennoch seichte oder doppelschnarchig langweilig verfilmte Kompromisse. Die müssen entweder entstanden sein aufgrund erschöpfender Diskussionen, weil in tiefer Resignation am Ende nach dem Motto verfahren wurde, Augen zu und versenden, obwohl gerade in dieser doch mehrheitlich von Kreativen bevölkerten Branche bekannt sein müsste, dass nicht nur in Gefahr und Not der Mittelweg stets den Tod bringt, sondern auch dann, wenn der kleinstmögliche gemeinsame Nenner im TV-Alltag als großer Zampano die Regie führt.
Oder aber sie wurden sehenden Auges von den Verantwortlichen produziert, weil die außer der Quote nichts mehr im Sinn hatten. Solche Balken im Auge können dennoch erfolgreich Spuren hinterlassen, und dann fragt eh niemand mehr nach Qualität.Wenn es zudem gelingt, ein allenfalls durchschnittliches Movie schon vor der Ausstrahlung zum Event hochzujubeln, glauben anschließend viele Zuschauer, die Schauspielerin Veronica F., eingeladen zu einer politischen Talkrunde des Ersten, habe wirklich deshalb was zu sagen, weil sie einst tatsächlich, nicht nur in einem TV-Zweiteiler, am Checkpoint Charlie in Berlin gestanden und um ihre in der DDR festgehaltenen Töchter gekämpft habe.
Der Zürcher Schriftsteller Charles Lewinsky (»Johannistag«), der als Drehbuchautor, Schlagertexter und Erfinder von unterhaltenden TV-Shows für ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und das Schweizer Fernsehen SRG erfolgreich tätig war, gab der »Süddeutschen Zeitung« zu Protokoll, dass man vor allem deshalb privates Fernsehen haben müsse, um »wirklich Scheiße sehen zu können«, differenzierte dann aber, um
sich auch denen verständlich zu machen, denen ein Wort wie »Scheiße« in diesem Zusammenhang stinkt: »Die Privaten sind ein Betrieb zur Herstellung von Zuschauern, die man anschließend an die Werbung verkaufen kann. Die Öffentlich-Rechtlichen sind ein Betrieb zur Herstellung von Sendungen.«
In seinem nicht bierernst gemeinten Standardwerk »Der A-Quotient: Theorie und Praxis des Lebens mit Arschlöchern« beweist er anhand seiner langjährigen Erfahrung, dass Menschen sowohl mit dem Kopf denken können als auch mit dem Gegenteil, dem Arsch. Oben werde das Ergebnis mit IQ gemessen, unten mit AQ.
Zumindest in der Theorie.
Zu der gehört ebenso die immer wieder bei den üblichen Symposien oder Tagen der seriösen Fernsehkritik oder bei der Verleihung von Grimme-Preisen unerhört verhallende Forderung,ARD und ZDF grundsätzlich jedwede Werbung zu verbieten und sie im Gegenzug dafür vom selbst auferlegten Quotendruck zu befreien. Dann könnten sie, frei vom Zwang, den Seichten Konkurrenz machen zu müssen mit eigenem Seichten, sich wieder konzentrieren auf das schon einmal erwähnte Wahre, Gute, Schöne. An solchen Stellen musste Struve immer lachen.
In den Jagdgründen der Seichten war der intellektuelle Zyniker so gut wie Winnetou einst in den Wäldern der Komantschen. Ohne Struve ging nichts im Ersten, gegen ihn auch nicht, egal, wer unter ihm gerade sein vorgesetzter Intendant war. Er wusste von seinen Gegnern in
Weitere Kostenlose Bücher