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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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geflohen!
    Hätten sie es getan, wäre zwar die Schande ruchbar geworden, die Tristan über sein Haus gebracht hatte – aber dann stünde das Haus noch. So jedoch nahm ein schreckliches Verhängnis seinen Lauf.
    König Marke von Cornwall war alt, aber nicht blöd. Es blieb ihm nicht verborgen, dass seine schöne Verlobte in heißer Liebe entbrannt war – zu Tristan, nicht zu ihm. Er stellte seinen Neffen zur Rede, und es gab wütende Wortwechsel; Gläser gingen zu Bruch. Blut floss. Zuletzt verwies der König den jungen Ritter des Landes. Damit endete der Tag, aber nicht die Affäre. Tristan und Isolde trafen sich fortan im Verborgenen. Sie konnten voneinander nicht lassen – es ging nicht, und es ging auch nicht gut. Marke von Cornwall ließ Isolde beobachten, hörte von ihren heimlichen Rendezvous, und als er genug gehört hatte, folgte er den beiden und erstach seinen Neffen.
    Tristan starb in Isoldes Armen. Ein edler junger Mann – Ritter der Tafelrunde –, der zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war und den Fehler beging, seinem Herz zu folgen. Als es aufhörte zu schlagen, begannen im fernen Lyonesse alle Glocken zu läuten, als wären sie von Geisterhand bewegt.
    Die Welt war nicht mehr dieselbe nach Tristans Tod. Cornwall und Lyonesse brachen ihre nachbarschaftlichen Kontakte ab, Artus blickte auf einen leeren Platz an seiner bis dahin makellosen Tafelrunde. Die Beziehungen zwischen England und Irland waren unterkühlt.
    Cunomorus und sein Halbbruder sprachen nie wieder miteinander. Obwohl Marke von Cornwall seine Tat zutiefst bereute und den Jüngeren um Vergebung bat, wurde sie ihm nicht zuteil. Als der Leichenzug mit dem getöteten jungen Ritter die Grenze nach Lyonesse erreichte, hinderten Cunomorus und sein Volk den kornischen König mit Waffengewalt daran, auch nur einen Fuß ins Land zu setzen.
    Die unglückliche Isolde überlebte ihren Tristan nur um wenige Tage. Sie ertrank – so erzählte man sich – in ihren eigenen bitteren Tränen.
    Marke von Cornwall schickte eine Eskorte mit der Verstorbenen nach Irland, damit man Isolde in heimischer Erde begraben konnte, wie es üblich war. Aber noch bevor sie am Königshof eintraf, wusste ihr Vater bereits, dass sie tot war: Vor seinem Fenster hatte eine Banshee geweint. Die irische Todesfee war seit Jahrhunderten eine Begleiterin der Königsfamilie. Wie ihre fahlen Schwestern hatte sie sich
einer
Dynastie angeschlossen, einem Haus, und holte dessen Mitglieder ab, wenn es Zeit war zu gehen.
    Diese Banshee, Ygrantha war ihr Name, hatte angeblich immer sanft und tröstend geklungen, was bedeutete, dass sie die Seelen am Übergang ins Totenreich willkommen hieß. In Isoldes Fall jedoch war ein Klagen und Kreischen in der Nacht erklungen, dass dem König, der um Isoldes Seelenheil bangte, ganz klamm ums Herz wurde. Sobald er den Grund für das plötzliche Ableben seiner Tochter erfuhr, mischte sich noch etwas anderes in seine Trauer und Furcht: flammender Zorn.
    Er gab Tristan die Schuld an allem, was geschehen war. Ihm allein. Tristan hatte die unschuldige Frau verführt und durch diese ruchlose Tat in den Tod getrieben, urteilte der König. Wutentbrannt schickte er eine Botschaft nach Lyonesse. Darin forderte er die Herausgabe von Tristans Leichnam, den er vor der Stadt aufhängen wollte, damit ihn die Raben fraßen.
    Cunomorus weigerte sich verständlicherweise, dem nachzukommen.
    Daraufhin wandte sich der irische König an seine Banshee. Er wollte Rache.
    Ygrantha, die eine enge Beziehung zu Isolde unterhalten hatte, erklärte sich bereit zu helfen. Ohne Königin Gwynbaen zu informieren, suchte sie in aller Heimlichkeit Manannan Mac Lir auf, der in jenen Tagen seinen Apfelhain kaum noch verließ und abgeschieden von der Welt lebte. Manannan war ein Riese aus alter Zeit, genau wie Fanmór, der Hochkönig von Earrach. Er hatte die Macht, die See, die Stürme und die Schiffe zu lenken.
    Manannan Mac Lir bewohnte einen Palast auf der Insel Arran; draußen vor Schottland, im Firth of Clyde. Ygrantha wusste, dass der alte Unsterbliche sich nicht mehr für die weltlichen Dinge interessierte, doch sie hatte einen Plan, ihn aus seiner lethargischen Ruhe zu wecken. Seit langer Zeit hegte Manannan einen tiefen Groll gegen Britannien, und die Todesfee schürte ihn mit ihren giftig-magischen Worten an. Es gelang ihr, den Riesen einzulullen und ihm Dinge einzuflüstern, derer sich die Kornischen von Lyonesse schuldig gemacht haben sollten, allen voran

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