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Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse

Titel: Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
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Stück Dach besaß. Wie sich herausstellte, hatte der König dort schon des Öfteren verweilt. Es gab eine Feuerstelle, die David mit dem magischen Licht zum Prasseln brachte. Und Blattwerk, um die aufsteigende Bodenkälte zu dämmen, sowie eine Getränkekiste als Sitzgelegenheit. Nur nichts zu essen. Nadja fragte denn auch, wie Cunomorus es geschafft hatte, unter diesen Umständen wochenlang zu überleben. Es war das erste Mal, dass er lächelte.
    »Am Fuß des Hügels liegt ein Dorf, das den Namen
Tintagel
trägt. Die Leute leben von der Burg, vom Andenkenverkauf und den Fremden, die selbst um diese Jahreszeit hier anreisen. Ich brauche nichts weiter zu tun, als mich auf die Straße zu stellen und mit den Besuchern von außerhalb für ein Kästchen zu posieren, das sie sich vors Gesicht halten, bis etwas klickt. Als Lohn geben sie mir Münzen, und mit denen erwerbe ich Speise und Trank.«
    »Themawechsel«, verlangte Nadja, denn ihr Magen begann zu knurren. Sie wollte nicht daran denken, wie lange sie schon nichts mehr gegessen hatte – und erst recht nicht, wie lange es dauern würde, ehe es wieder etwas gab.
    »Wenn es hell wird, könnte ich Euch ins Dorf führen«, überlegte Cunomorus. »Zurzeit sind wenige Besucher da, aber vielleicht gelingt es uns dennoch, ein Frühstück zu ergattern. Es gibt dort eine Bäckerei, und die Besitzerin ist eine gute Seele. Sie macht nicht nur die besten Fleischpasteten, die ich je gekostet habe, sie serviert mir auch manchmal welche. Ohne Bezahlung! Und dazu eine Tasse heißen Tee, mit clotted cream.«
    »Aufhören!« Nadja stöhnte und schluckte ihre Hungerspucke hinunter.
    Ächzend setzte sich der König neben Nadja und David auf die welkenden Zweige. »Erinnert mich daran, dass ich eine neue Anweisung erlasse, wenn ich wieder in Lyonesse bin. Kostenlose Mahlzeiten für jeden, der sie benötigt!«
    Nadja nahm den weiten Königsmantel und legte ihn rechts und links über die Schultern ihrer frierenden Begleiter. Alle drei rückten so eng zusammen, wie es ging, wärmten sich gegenseitig und schauten dem magischen Feuer zu, das ganz ohne Brennmaterial auskam und wohlig prasselte. In seinem Schein leuchteten die Schneeflocken auf, die draußen vor dem Unterschlupf vom Himmel wisperten. So gleichmäßig. So einschläfernd.
    Angenehme Müdigkeit breitete sich aus, und gern hätten Talamhs erschöpfte Eltern ein wenig geruht. Doch es gelang ihnen nicht. An der Grenze zum Schlaf war ein Heer aus Sorgen und Ängsten aufmarschiert, das sie nicht vorbeiließ. So viele Fragen und keine Antworten. Wie sollten sie nach Lyonesse gelangen? Was geschah in Lyonesse? Wer hatte den Sohn des Frühlingszwielichts in seiner Gewalt, und vor allem: Wie ging er mit ihm um? Konnte das Baby in dieser Nacht schlafen? War es wohlbehütet?
    Talamh besaß schon die Fähigkeit, sich seiner Mutter mitzuteilen. Mental, ohne Worte, und nur sporadisch – aber immerhin. Manchmal spürte Nadja seinen Ruf, und es tröstete sie ein wenig, dass ihr kleiner Junge nicht litt. Trotzdem war es eine Qual, auf ihre Arme hinabzublicken, die eigentlich ein quietschvergnügtes, süßes Baby halten sollten. Stattdessen hielten sie nur Bilder aus Nadjas Gedächtnis umfangen, ein Scheinkind, das bloß in der Erinnerung existierte. Sie konnte es nicht ans Herz drücken, nicht mit Küssen bedecken. Es gab keinen Laut von sich und verschwand bei der kleinsten Ablenkung.
    Wie nun, als David ihre Hand nahm. »Wir finden Talamh«, sagte er fest. »Wir holen unseren Sohn zurück.«

18 Lyonesse – wie alles begann
    Cunomorus war gerührt vom Kummer des jungen Paares. Er hatte selbst erlebt, was es bedeutete, seinen Sohn zu verlieren. Auch wenn bei Talamh noch Hoffnung bestand, ihn lebend wiederzusehen – anders als bei Tristan –, war der Schmerz der Eltern nicht geringer.
    »Sobald es hell wird, machen wir uns auf den Weg«, versprach der König. »Wir werden versuchen, noch ein Frühstück aufzutreiben, dann gehen wir hinunter zu Merlin’s Cave. Ich weiß, wo das Portal ist, und wenn Ihr, Nadja, uns hindurchführen könnt, umso besser. Falls nicht, haben wir noch die Möglichkeit, nach Land’s End zu wandern. Viele der dortigen Fischer fahren zu den Scilly-Inseln hinaus. Wir müssten einen von ihnen dazu bewegen, uns mitzunehmen, dann kämen wir an das alte Inselportal heran. Vielleicht ist es noch durchlässig. Die Chancen sind gering, ich weiß – aber es gibt sie.«
    »Wir werden es auf jeden Fall versuchen«, sagte David.

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