Seidel, S: Elfenzeit 16: Bestie von Lyonesse
Hofe fand sie immer mehr Anhänger. Und die Druiden – diese wichtige Stimme im Chor der Machthabenden, deren Klang selbst ein König nicht ignorieren konnte – sprachen von Carmandua bereits als einer Hoffnungsträgerin für die Zukunft des Reiches.
Löwin
nannten sie die junge Frau, denn so kämpfte sie für alles, was gut war: Frieden, Freiheit und ein bisschen Glück.
Magusan musste schnell handeln, wenn er seine Krone behalten wollte, und das wollte er unbedingt. Vermutlich hätte er die ungeliebte Schwester kurzerhand getötet, wenn es ihm möglich gewesen wäre. Doch sie hatte zu viele Freunde. Wachsame Augen überall und noch mehr Neider in Magusans Umfeld, die nur darauf warteten, dass er diesen Fehler beging. Also suchte er einen anderen Weg – und wurde fündig, ohne sich sonderlich bemühen zu müssen. Der Zufall kam ihm zu Hilfe oder eher die verlässlichste aller Untugenden.
Eifersucht.
Carmandua nahm großen Anteil am Schicksal der einfachen Leute, die traditionell erst dann versorgt wurden, wenn bei Hofe alles gerichtet war. Die Medizin steckte noch nicht einmal in den Kinderschuhen; jede Geburt brachte werdende Mütter an den Rand des Todes, offene Wunden oder ein vereiterter Zahn waren fatal. Hilfe fand sich in der Natur, das bewiesen die Kräuterfrauen. Doch deren streng gehütetes Wissen war begrenzt, fußte eher auf Überlieferungen als auf eigener Forschung. Carmandua wollte mehr wissen, mehr helfen … mehr Leben retten. So wandte sie sich Rat suchend an die Elfen, die zu der Zeit zwar in Nachbarschaft mit den Menschen, aber weitgehend im Verborgenen lebten.
Hochkönig Fanmór sah es nicht gern, wenn die Unsterblichen sich den Menschen offenbarten. Schon gar nicht, dass sie sie an ihrem Wissen teilhaben ließen. Doch die Anderswelt war zu jener Zeit noch in bester Ordnung; nichts deutete darauf hin, dass sich daran je etwas ändern würde. Königin Gwynbaen, Herrscherin der Sidhe Crain, war entsprechend nachsichtig und tauschte sich durchaus mit den Sterblichen aus. Und da Carmandua eine freundliche, gute Seele war, der man vertrauen konnte, wenn sie Stillschweigen gelobte, begegneten die Crain der Keltin freundlich und halfen ihr.
Damit lösten sie unwissentlich eine Katastrophe aus. Je mehr Carmandua von ihnen über die Heilkraft der Pflanzen lernte, je mehr Not die junge Wohltäterin mit ihrem Wissen linderte, desto geringer wurde das Ansehen der Kräuterfrauen beim Volk. Sie taten sich zusammen, um herauszufinden, welches Geheimnis hinter der wachsenden Macht ihrer Konkurrentin steckte. Sie folgten der Prinzessin auf ihren Wanderungen in die Wälder und Auen rings um die Keltensiedlung, beobachteten Carmandua, belauschten sie. Und dann entdeckten sie die abgeschiedene Elfensiedlung.
Unverzüglich setzten die Kräuterfrauen Magusan in Kenntnis. Der zögerte ebenfalls keinen Moment, rief seinen Beraterstab zusammen und verkündete, dass Carmandua einen Pakt mit Fremden geschlossen hatte. Das war Landesverrat, und da diese Fremden offenbar über magisches Wissen verfügten, auch noch eine Beleidigung für die Götter der Kelten, deren Entscheidungen der Mensch demütig zu akzeptieren hatte, statt sie mit Zauberkräutern zu bekämpfen.
Magusan gelang es, ein Bild des Unheils für seine Befehlshaber, Kräuterfrauen und Druiden heraufzubeschwören. Von einer Zukunft, in der es keinen Platz mehr für sie gab. Einer Zukunft, die von Carmandua und ihren Verbündeten bestimmt wurde, denen weder Macht noch Bezahlung etwas zu bedeuten schienen. Als Magusans Berater verschreckt genug waren, forderte er – zur Rettung und zum Wohle des Volkes – Carmanduas Tod. Den Mord an seiner eigenen Schwester!
Dem konnten die Druiden jedoch nicht zustimmen. Zu groß wäre ihr Gesichtsverlust gewesen, nachdem sie die Prinzessin bereits öffentlich als Hoffnungsträgerin bezeichnet hatten. So schlugen sie eine Alternative vor, die akzeptabel klang: Carmandua sollte vor dem Keltengericht erscheinen und alles preisgeben, was sie über die angeblichen Fremden wusste. War das Ergebnis zufriedenstellend, würde sie dem Opferritual entgehen und nur verbannt werden.
Sie kam, wurde befragt – und schwieg. Zu groß schien ihr die Gefahr, dass Magusan, der Magie gegenüber stets misstrauisch eingestellt war, den Elfen eine tödliche Falle stellen würde.
Man verurteilte sie zum Tode auf dem Opferstein. Gleich am nächsten Morgen sollte das Urteil vollstreckt werden.
Die Kunde über die stolze Prinzessin, die
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