Seidenfpade
Monitor blühte weiß auf, so hell, daß er zusammenzuckte. Er drehte die Helligkeit herunter. Nun war der Schein etwas diskreter.
Mit ein paar raschen Mausbewegungen öffnete er das Dateiverzeichnis und durchsuchte es. Alles russisch, wie erwartet! Die riesige Anzahl der Dateien benötigte allerdings keine lange Erklärung.
Zuviel Futter für sein kleines Laufwerk.
Shane glitt mit dem Cursor durch das Directory und fluchte innerlich. Die Dateinamen waren zwar nicht verschlüsselt, aber dennoch unleserlich für ihn.
Abgesehen von einem beeindruckenden Repertoire an russischen Flüchen reichte seine Kenntnis der Sprache nicht aus, um wirklich entscheiden zu können, was kopierenswert war und was nicht. Möglicherweise wählte er bloß aus, was man in jedem Computerladen um die Ecke erwerben konnte.
Plötzlich fiel sein Blick auf ein bestimmtes russisches Wort. Das kannte er. Es bedeutete »Schweineexkrementfresser«.
Neugierig rief Shane die Datei auf und überflog die darin befindlichen Dokumente. Nicht-kyrillische Namen sprangen ihm in die Augen.
La Pena.
Liu.
Spagnolini.
Die Liste ging weiter, einiges davon in kyrillischen Buchstaben, anderes nicht.
Tong.
Yakuza.
Medellin.
Es gab weitere, untergeordnete Dateien unter jeder Master-Datei und andere russische Ausdrücke, die im Main Directory wieder auftauchten.
Shane stieß einen lautlosen Seufzer der Erleichterung und Belustigung aus.
Katja, du bist wirklich verdreht, dachte er. Ich fange mal mit den Schweineexkrementfressern an. Dann stopfe ich alles, was sonst noch deinen schmutzigen Namen trägt, in mein Laufwerk, bis es rülpst und genug hat. Cassandras Computerfreaks werden den Rest besorgen.
Es dauerte nur einen Augenblick, um das Laufwerk aus seinem Rucksack zu holen und das Kabel in die Anschlußbuchse im Rückteil von Katjas privater Zuflucht zu stecken.
Er ging das Inhaltsverzeichnis durch, während er im Geiste die verrinnenden Sekunden zählte. Soviel er konnte markierte er mit der Maus, wählte das Kopierzeichen auf der Tastatur und überließ den Rest dem Rechner. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit duplizierte das Gerät nun ganze Datenblocks auf das angehängte Laufwerk.
Shane bemerkte keinerlei Anzeichen, daß sein Tun einen Alarm ausgelöst hätte.
Mit einem stummen Stoßgebet drückte er auf die Umschalttaste, hielt sie nieder und markierte Datei über Datei, während er durch das Verzeichnis scrollte.
Das Handy in seiner Hosentasche vibrierte lautlos.
Shane ignorierte Danis Anruf - alles, woran er im Augenblick denken konnte, waren der Computer und die darauf enthaltenen unbezahlbaren Informationen über die Harmony Er wußte, daß sich die Lücke zwischen den Kameraschwenks geöffnet und wieder geschlossen hatte; doch das Laufwerk schluckte noch immer an den gigantischen Datenmengen, die er zum Kopiervorgang markiert hatte.
Während der Austausch der beiden Computer lief, ging Shane zu dem altmodischen Safe, der in einer Zimmerecke hockte wie ein antiker gußeiserner Ofen. Wie Boston gesagt hatte, stammte der Safe aus dem neunzehnten Jahrhundert. Sein Geheimnis war sein enormes Gewicht und nicht hochentwickelte Technik, um Einbrecher abzuschrecken.
Doch wer würde wohl die Königin der Diebe bestehlen, wenn sie vom Fürsten der Finsternis beschützt wurde?
Vor dem Ungetüm kniete Shane nieder und machte sich an die Arbeit. Das Drehschloß klickte leise. Dann wieder. Und wieder. Geräuschlos schwang die Tür auf.
Alles blieb still.
Er holte eine winzige Taschenlampe hervor und ließ ihren bleistiftgroßen Strahl über das Innere gleiten. Da lagen Schachteln mit Goldmünzen, Tütchen mit losen Diamanten - so sah es zumindest aus -, und in einer langen Reihe von schmalen, vertikalen Fächern lagen Stapel von Geldscheinen in unterschiedlichster Währung.
Fluchtmittel? Oder Bestechungsgelder?
Ungeduldig wandte er sich von den beträchtlichen Schätzen ab und untersuchte die Innentür. Dort befand sich nämlich das einzige Fach, das groß genug war, um das gesuchte Glasrohr aufzubewahren. Mit einer raschen Bewegung öffnete er den Verschlußhebel des Fachs.
Wieder vibrierte sein Handy
Shane ignorierte den Ruf abermals und langte nach der etwa einen Meter großen Porzellanpuppe, die in dem Fach steckte. Sie trug ein Taufkleidchen aus sehr alter Spitze. Ihr Haar war rotblond, so blond wie Katjas, und der Körper der Puppe weich und zierlich; unmöglich konnte darin ein Glasrohr versteckt sein.
Die Augen der Puppe hatte man
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