Seidenfpade
mehr zu ihrer Zufriedenheit«, bemerkte Cassandra und führte Dani durchs Haus.
»Lhasa wirkte klärend auf meine Bedürfnisse«, sagte Dani trocken. »Jetzt nehme ich mit jeder kleinen Freude vorlieb.«
Zusammen gingen die Frauen durch die letzten offiziellen Räumlichkeiten. Eine speziell konstruierte Tür schloß sich hinter ihnen.
»Also gut.« Cassandra atmete auf. »Jetzt kann uns niemand mehr belauschen. Was ist passiert?«
»Erinnern Sie sich noch an Henley Cage?«
»Ja. Er war einer meiner ehrgeizigsten, aber am wenigsten begabten Studenten. Nun ist er Vorstand Ihrer Fakultät und hat uns seine Zustimmung zur Entleihung Ihres Sachverstands erteilt.«
»Inzwischen hat er es sich anders überlegt.«
Cassandra drehte sich um und blickte Dani durchdringend an. Dani kam es vor, als würde sie von grünen Lasern durchbohrt.
»Henley hat mir im Vertrauen mitgeteilt, daß meine Anstellung höchstwahrscheinlich nicht verlängert würde, wenn ich weiterhin darauf bestünde, meine akademischen Pflichten Ihretwegen zu vernachlässigen.«
Cassandra zog überrascht ihre kastanienroten Augenbrauen hoch.
»Als ich ihn dazu aufforderte, mir das schriftlich zu geben«, fuhr Dani fort, »hat er gekniffen.«
Cassandra schüttelte beinahe enttäuscht den Kopf und ging weiter. Dani folgte ihr.
»Ich weiß, daß Henley nicht gerade ein Freund ist, aber für einen Feind hätte ich ihn nicht gehalten«, sagte Cassandra.
»Vielleicht liegen die Dinge ja anders, als Sie meinen«, erwiderte Dani. »Je mehr ich darüber nachdenke, desto eher kommt er mir nur wie der Überbringer der schlechten Nachricht vor, nicht wie die schlechte Nachricht selbst.«
»Interessant«, meinte Cassandra und blieb vor einer Tür stehen. »Wie kommen Sie darauf?«
»Henleys Fachgebiet ist die chinesische Innenarchitektur. Er pflegt intensive Kontakte zum Kultusministerium in Peking. Fast seine gesamte Forschungsarbeit vor Ort hängt vom guten Willen der Chinesen ab.«
»Von deren Regierung!«
Dani nickte. »Kann sein, daß ich ja bloß paranoid bin.«
»Selbst Paranoide ...«
»... haben echte Feinde«, ergänzte Dani. Dann erschauerte sie. »Ich habe sämtliche Risk-Limited-Papiere mitgenommen, als ich mein Büro verließ.«
Cassandra musterte das blasse, angespannte Gesicht der Jüngeren.
»Es ist noch nicht zu spät, Dani. Sie können die Papiere bei uns lassen, in Ihr Büro zurückgehen und Henley sagen, Ihnen wäre jetzt ein Licht aufgegangen.«
Langsam schüttelte Dani den Kopf.
»Ein Licht ist mir nicht aufgegangen«, flüsterte sie. »Ich habe die Nacht erlebt, die Art von kultureller Nacht, die das finsterste Mittelalter noch strahlend erscheinen läßt.«
Cassandra berührte die neue Mitstreiterin sanft an der Schulter.
»Überlegen Sie es sich gut«, wiederholte sie. »Sie waren uns eine sehr große Hilfe, aber die Situation hat sich mittlerweile gefährlich zugespitzt.«
»Ist sonst noch was schiefgegangen? Irgend etwas mit Shane?« fragte Dani panisch. »Hat er sich gemeldet?«
»Er sitzt gleich hinter dieser Tür«, beruhigte Cassandra sie.
Dani stieß einen tiefen Erleichterungsseufzer aus.
»Andauernd fürchtete ich, er wäre wieder in Lhasa oder Aruba oder an einem noch gefährlicheren Ort«, gestand sie. »Ich wußte die ganzen letzten Tage nicht, ob er in Gefahr war oder verletzt oder...«
Ein mitfühlender Ausdruck glitt über Cassandras Miene.
»Shane sitzt ununterbrochen über den Computerdateien der Harmony und probiert die neuen Codebrecher aus, die unsere Hacker austüfteln«, erklärte sie. »Er hat kaum geschlafen. Erwarten Sie nicht zuviel von ihm.«
Danis Züge wurden ausdruckslos. »Warum sollte ich etwas von Shane erwarten?«
»Bloß eine Vermutung, nichts weiter«, murmelte Cassandra. »Gillie und ich haben Shane noch nie in einer solchen Laune erlebt.«
»Hat denn ein Heiliger überhaupt Launen?« fragte Dani mit einer Spur von Bitterkeit.
»Shane ist kein Heiliger!«
»Also das kann ich nicht behaupten.«
Cassandra lächelte flüchtig. »Aha - ich hatte mich schon gewundert!«
Dani klappte den Mund zu.
»Falls es etwas helfen würde«, flüsterte Cassandra ihr zu, »hat Gillie schon überlegt, ob er Shane nicht in den Trainingsraum schleifen und ordentlich verprügeln soll.«
>>Da hätte er aber ganz schön zu tun.«
»Für beide eine gute Übung.«
Dani brachte ein kleines Lächeln zustande. »Was soll’s! Ich hab schlimmere Irrtümer als Shane Crowe überlebt!«
»Sind Sie
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