Seidenfpade
erkundigte sie sich. »Für welches Land sind die typisch?«
»Sie werden unsere amerikanischen Gäste erfreuen«, erwiderte Boston wie aus der Pistole geschossen. »Ich habe sie extra aus Chicago herschicken lassen, Zarin.«
Bostons Umgang mit Katja war eher entspannt und informell, doch er ging nie zu weit damit. Er war der einzige, der es wagte, Katja offen mit ihrem Namen anzusprechen. Das tat er jedoch nur, wenn er sich ihrer guten Stimmung sicher war.
»Der Schmuck muß absolut stimmen«, erinnerte sie ihn. »Weihnachten ist das wichtigste Fest des Jahres. Alles soll authentisch wirken.«
»Das tut es«, beruhigte Boston sie. »Ich kenne mich auch aus mit Illusionen.«
»Selbstverständlich«, sagte Katja ungeduldig. »Sonst würde ich dein unverschämtes Mundwerk wohl kaum tolerieren.«
Raschen Schrittes ging sie zum Kamin. Dort inspizierte sie die Reihe übergroßer roter Flanellsocken, die dort artig nebeneinander hingen.
»Ausgezeichnet«, murmelte sie.
Der Butler nickte nur. Er war zwar dagegen, Nägel in das antike Rosenholz des englischen Kamins aus dem achtzehnten Jahrhundert zu schlagen, doch Katja hatte darauf bestanden.
Gründlich studierte sie jede der kunstvoll gestickten Aufschriften der ordentlichen Reihe von zwölf Socken.
»Die Namen«, sagte sie.
»Korrekt. Habe sie zweimal geprüft.«
»Was für eine Heidenarbeit, so viele Kulturen, so viele stolze, empfindliche Herzen ...«
»Dafür ist unser Haus nun mal bekannt.«
Katja blieb bei einer Socke stehen, auf der ihr ein kompliziertes chinesisches Schriftzeichen ins Auge stach.
»Bei der hier habe ich mich sogar dreimal beim Manager der Handelsbank von Schanghai in Oranjestad rückversichert«, beteuerte Boston und kam Katjas Frage damit zuvor. »Es ist fehlerfreies Mandarin.«
»Ist Tony Liu nicht Kantonese?« fragte Katja scharf.
»Er spricht Mandarin. Wenn er nur einen Hinterwäldlerdialekt sprechen würde, wäre er nicht hochgekommen.«
»Du schon.«
»Ich spreche verschiedene Idiome, darunter Oxford-Englisch. Das ist auch der Grund, warum Sie mich angestellt haben, Zarin.«
»In der Tat.«
Mit einem dünnen Lächeln ging Katja weiter, doch gleichzeitig nahm sie sich vor, Bostons Herkunft nochmals zu überprüfen.
Ein intelligenter Haushaltsvorstand und persönlicher Assistent kam einem Wolf als Haustier gleich. Er war zwar sehr nützlich, doch irgendwann würde er unweigerlich seinen Rachen aufsperren.
Katja wandte ihre Aufmerksamkeit dem sechs Meter hohen Christbaum zu, der den Salon schmückte.
Der Baum war eine Synthese der unterschiedlichen Herkunft ihrer Gäste. Da gab es russische Ikonen, kolumbianische Penas, italienische Kerzen und anmutige chinesische Schriftzeichen auf Reispapier. Alles war kunstvoll auf den Ästen verteilt. Das Buffet bog sich unter den Weihnachtsspezialitäten aus den zwölf Ländern, aus denen die Erwarteten stammten. Wahrhaftig hatte man den Eindruck, der Kalender zeige bereits Winter an und nicht eine Woche vor Halloween.
In der Bar fanden sich erstklassiger Whiskey und kostbare Liköre; außerdem gab es dunkles mexikanisches Bier, das als Ersatz für den Dezemberbock herhielt, der in Italien, Frankreich und Rußland üblicherweise in der Weihnachtszeit getrunken wurde.
Erst nachdem sich Katja von der Makellosigkeit aller Arrangements überzeugt hatte, wandte sie sich den Mädchen zu, die in einer bescheidenen Gruppe beim Buffet standen und darauf harrten, was da kommen mochte.
Es gab vierzehn Schönheiten für genau ein Dutzend Gäste. Die beiden überzähligen waren für Jose Gabriel de la Pena, den Kolumbianer, und für Salvatore Spagnolini, den Mafioso, der die Interessen des Chicagoer Kartells in Las Vegas überwachte.
La Pena und Spagnolini traten als die härtesten persönlichen Rivalen in der Harmony auf. Sie tobten diese Konkurrenz im Schlafzimmer aus. Wenn einer der beiden behauptete, ein Mädchen wäre zu wenig für seine überwältigende Potenz, so daß er zwei oder gar drei benötigte, dann erhöhte auch der andere automatisch sein Kontingent.
Wie albern, dachte Katja. Spagnolini war ein Säufer, der gewöhnlich umkippte, bevor er auch nur ein Mädchen bedient hatte, geschweige denn zwei.
Katja kannte die sexuellen Wünsche und Neigungen jedes Klienten. Sie hatte sich Videos von Kameras angesehen, die in sämtlichen Cabanas versteckt installiert waren.
Die Kameras hatte sie unter dem Vorwand anbringen lassen, die Arbeit der Mädchen überwachen zu wollen, ob sie
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