Seidenfpade
»Sie erinnern mich immer an Seide.«
Shane warf ihr einen entsetzten Blick zu.
»Äh, Samt, an Samt«, korrigierte Dani sich hastig. »So üppig und glänzend und weich!«
Er grunzte.
»Und all die Vögel, die einbeinig am Strand herumstehen«, erwärmte sie sich. »Sind die nicht niedlich?«
»Niedlich«, echote Shane. »Genau.«
»Ich kann gar nicht fassen, daß dieser herrliche Sandstrand da drüben so vollkommen leer ist. Glaubst du, man hätte was dagegen, wenn wir uns rüberschleichen und ihn benutzen würden? Der Zaun geht nicht ganz bis zum Wasser.«
Shane folgte Danis Blick. Sie musterte das Anwesen durch die gußeisernen Streben. Stacheldrahtschlingen zierten den oberen
Teil, und automatische Überwachungskameras verdarben den Eindruck, sich in einem unberührten Paradies zu befinden.
»Sicher hätten die was dagegen«, motzte Shane. »Diese Reichen verursachen mir Blähungen. Das, was sie haben, benutzen sie nicht, wollen aber auch nicht, daß sich andere dran erfreuen.«
Der Schlüssel ließ sich mit geölter Leichtigkeit im Schloß umdrehen. Die Tür quietschte auch nicht.
Nichts explodierte.
Mit einem scheinbar gleichgültigen Blick überflog Shane den Raum, bevor er eintrat.
Alles leer.
»Nach dir«, murmelte er. »Gleich hinter dir, um genau zu sein.«
Als Dani das Häuschen betrat, merkte sie, daß Shanes linke Hand sich nie sehr weit von dem offenen Lederbeutel, in dem die Waffe steckte, entfernte.
Ein kalter Schauer überlief sie, und das lag nicht an der ausgezeichneten Klimaanlage der Cabana. Die Sonne, die tropische Vegetation und die samtige Luft der Karibik hatten also seine rasiermesserscharfen Sinne kein bißchen getrübt.
Unbehaglich blickte sie sich um. Der Bungalow besaß ein Wohnzimmer mit Blick aufs Meer und den Strand. In einer Zimmerecke befand sich eine gut bestückte Bar, dahinter, auf der Rückseite und weiter weg von der donnernden Brandung, lag das Schlafzimmer.
»Also diese Möbel sind wirklich hübsch, muß ich echt zugeben«, meinte Dani.
»Ja«, stimmte Shane abwesend zu. »Hinreißend!«
Er hatte kaum einen Blick für die Qualität der Einrichtung übrig. Wachsam glitten seine Augen über Stühle, Tisch und den Rest der Ausstattung, doch auf den ersten Blick waren keine Wanzen zu sehen.
Während Shane Glühbirnen und Steckdosen untersuchte, machte sich Dani selbst auf Inspektionstour. Die ganze Zeit über ließ sie nette Bemerkungen über die Möbel, die Aussicht, das Wetter und die Terrassentüren vom Stapel, die ihr selbst nach Tagen immer noch so gut gefielen.
Shanes Antworten reichten von »äh« über »ja« bis »wie nett«.
»Und einen guten Geschmack, was den Likör betrifft, haben sie obendrein«, lobte sie.
»Ja?«
»Grand Marnier.«
»Köstlich.«
»Und ob! Eine Flasche von der Größe kostet im Duty-free mindestens fünfzig Kröten.«
Shane, der gerade die Kontrolle einer eigenartig plazierten Steckdose beendet hatte, richtete sich auf und blickte Dani an.
»Du magst Grand Marnier, hm?« fragte er.
»Männer«, meinte Dani verächtlich. »Du weißt nicht mal mehr meine Lieblingsfarbe, stimmt’s?«
»Äh ...«
»Da hast du es«, sagte sie. »Pffff!«
Shane machte sich wieder an sein Checking. Er war nicht wirklich besorgt. Bloß vorsichtig. Afghanistan hatte ihn gelehrt, daß vorsichtige Männer länger lebten als die andere Sorte.
Jedenfalls wußte er, daß er eine wirklich hochtechnisierte Wanze ohnehin nie entdecken würde. Wenn andererseits ihre Deckung schon so weit aufgeflogen war, daß die Harmony bereits ihre Unterkunft verwanzt hatte, konnten sie so oder so einpacken.
»Nett von deinem Boß, dir diese Reise als Bonus zu spendieren«, sagte Dani.
»Hm!«
»Die Cabana muß mindestens fünfhundert pro Tag kosten.«
»Achthundertfünfzig«, berichtigte Shane. »Bin gleich wieder zurück.«
»Ich warte hier«, meinte Dani zuckersüß, »auf jedes deiner >Ahs< und >Ähs Shane ging zur Schlafzimmertür und öffnete sie. Er warf einen Blick hinein und lächelte bitter. Buddha muß einen eigenartigen Sinn für Humor haben, dachte er.
Rasch überprüfte Shane sämtliche Ecken, fand jedoch nichts Auffälliges. Er betätigte die Toilettenspülung und lauschte aufmerksam. Alles funktionierte.
Einschließlich ihm.
Sein Körper befand sich zweifellos in sexueller Alarmbereitschaft. Keine der Konzentrationsübungen, die in Tibet immer so gut funktioniert hatten, nützte etwas. Danis Geruch war auf seinem Hemd, ihr
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