Seidenfpade
entfernender Schritte aus einer nahe gelegenen Gasse zu hören. Dann gehörte die Umgebung wieder ganz ihr.
Sie war allein.
»Mir geht es gut«, meldete sie. »Bist du sicher, daß dir nichts fehlt, Gillie?«
»Nichts, was nicht wieder verheilt - was ich von den zwei Wichsern, die gerade versucht haben, mich um die Ecke zu bringen, nicht behaupten kann. Was, zum Teufel, ist da los bei dir?«
Gillespie japste ein wenig, als ob er gerade einen Fünfzigmetersprint zurückgelegt hätte und erst zu Atem kommen müßte.
»Später«, vertröstete Cassandra ihn. »Zuerst müssen wir Shane erreichen. Ich fürchte, die beiden sind aufgeflogen.«
»Verdammt und zugenäht«, polterte Gillespie. »Mach dich sofort dran, Cassie. Ich warte.«
Rasch wählte sie das Sekretariat von Risk Limited, das sie dann an Shane Crowe weitervermitteln würde.
Während sie mit dem Telefon zu tun hatte, betete Cassandra glühend, daß sie nicht am Ende eine tote Leitung herbekäme.
19
Aruba
November
Der tropische Regen rauschte in gleichmäßigem Donner über das Schrägdach des Bungalows.
Bis auf den Regen war es schon seit einiger Zeit vollkommen still in Innern des Raumes.
Mit brütendem Gesicht beobachtete Dani Shane. Falls er es bemerkte, ließ er sich jedoch nichts anmerken. Er stand an dem kleinen Eßtisch und beschäftigte sich mit den Werkzeugen, die er heute nachmittag in Oranjestad gekauft hatte.
»Ich halte das immer noch für eine beknackte Idee«, sagte sie unverblümt.
»Gillie nicht. Deshalb hat er ja das Diskettenlaufwerk und die Kabel zu den Badesachen gepackt.«
»Aber wir beide sind ein Team.«
»Es ist zu gefährlich für dich«, fuhr er ihr über den Mund.
»Für dich etwa nicht?« entgegnete Dani hitzig.
Shane blickte auf. Sein Gesicht war ausdruckslos, seine dunklen Augen vollkommen ruhig.
»Alles, was ich brauche, sind fünf Minuten mit Katjas Computer«, versuchte er es mit Geduld.
»Ist das alles?« fragte Dani sarkastisch. »Warum bittest du nicht gleich noch um eine gute Fee und eine goldene Kutsche, wo du schon dabei bist?«
»Zu auffällig.«
»Verdammt, das ist kein Witz!«
»Lache ich vielleicht?«
»Shane, dieser Computer könnte ans große Sicherheitsnetz angeschlossen sein.«
»Ist er nicht.«
»Woher willst du das wissen?«
»Boston.«
»Und wenn er sich nun irrt?« führte Dani ins Feld.
»Vielleicht ja auch nicht!«
Sie stöhnte gereizt, schoß aus ihrem Stuhl und fing an, auf und ab zu tigern. Dabei ließ Shane sie nicht aus den Augen.
Ohne sich um sie zu kümmern, wickelte er eine rechteckige Box von der Größe eines Brotlaibs in eine Plastiktüte. Das Ganze stopfte er dann in einen schwarzen Rucksack.
Der Rest von Shane war ebenfalls schwarz. Schwarzes, langärmeliges Hemd, schwarze Hose, schwarzes Haar. Seine Füße steckten in weichen schwarzen Boots. Ein schwarzer Regenponcho hing über einem Stuhl.
Auf den ersten Blick sahen die Sachen aus wie teure Designerklamotten. Ein zweiter Blick zeigte jedoch eine ungewöhnliche Anzahl von Taschen. Und bei noch deutlicherem Hinsehen wurde etwas Eigenartiges offenkundig. Es handelte sich gar nicht richtig um Schwarz, sondern um Schattierungen von Dunkel, die willkürlich ineinanderflossen.
Nachttarnkleidung, erkannte Dani staunend.
»Mal ganz abgesehen von Boston, mir scheint es unwahrscheinlich, daß Katja ihre Dokumente nicht codiert«, bemerkte sie.
»Ich will sie ja gar nicht lesen, ich will sie nur kopieren.«
»Aber...«
»Nichts aber«, unterbrach Shane sie ungeduldig. »Cassandra hat ein paar Hacker auf Lager. In ihrer Jugend haben die mal die Liste der Gutschriften eines Monats von American Express geklaut, bloß so, aus Spaß.«
»Soll mich das vielleicht beruhigen?«
»Mich beruhigt es jedenfalls. Diese Jungs könnten einen wissenschaftlich codierten File mit einem rostigen Nagel aufknacken.«
»Warum haben die sich dann nicht in Katjas Computer reingehackt?«
»Sie ist zu clever, um ihn an ein Modem zu hängen. Ohne Modem kein Zugang und keine Möglichkeit, sich reinzuhacken! Außer auf die altmodische Art natürlich.«
Lächelnd hielt Shane eine Metallsäge hoch. Sie verschwand ebenfalls im Rucksack, zusammen mit dem Laufwerk. Er packte noch ein paar andere Werkzeuge dazu und ließ nur den Drahtschneider auf dem Tisch liegen. Dani näherte sich Shane, der soeben den Rucksack schulterte.
»Laß mich mitgehen«, bat sie. »Ich weiß mehr über Computer als du.«
»Ich weiß genug, um den Job zu
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