Seidenfpade
angebunden. »Wir wissen sehr viel über Ihre Einsätze. Wirklich beeindruckend. Das ist auch der Grund, warum wir Ihnen die Gelegenheit bieten, der Harmony beizutreten.«
Cassandra, die ihren Schock bei diesen Worten einfach nicht verbergen konnte, starrte Kasatonin fassungslos an.
»Wenn Sie behaupten, Risk Limited auch nur im geringsten zu kennen«, brachte sie schließlich heraus, »dann müßten Sie wissen, daß wir alles das verabscheuen, was die Harmony präsentiert.«
»Macht und Geld sind universale Ziele. Das betonen Sie immer wieder in Ihren Schriften. Die Harmony offeriert einen direkten Weg zu beidem.«
»Mir ist der Umweg lieber«, murmelte Cassandra.
»Urteilen Sie nicht zu rasch. Wir leben jetzt in einer Welt, in der Supermächte zusammengebrochen sind, in der Nationen wie die Vereinigten Staaten nicht mehr in jeden Konflikt eingreifen -und in der kleinere Mächte nur noch daran interessiert sind, die zivile Ordnung aufrechtzuerhalten. Mit einem Wort, es herrscht ein internationales Machtvakuum.«
»Gut beobachtet.«
»Vielen Dank. Das steht in einem Ihrer Artikel.«
»Ich bezweifle, daß Sie diese Lektion nötig hatten.«
Kasatonins Lächeln war von ebenso kalter Intelligenz wie seine Augen.
»Sie haben recht«, bestätigte er. »Die Harmony wird dieses Machtvakuum ausfüllen. Wir werden unsere Feinde vernichten.« Er hob das Telefon in seiner Hand. »Falls Sie unser Angebot ablehnen, werden wir zuschlagen, und zwar gleich hier und jetzt. Heute nacht.«
Gillespie.
Nackte Angst drohte Cassandra zu übermannen. Kasatonin war ein verflucht schlauer Bursche und Katja, die Kupplerin, desgleichen.
Warum bedrängen sie uns gerade jetzt? fragte sich Cassandra im stillen.
Die Antwort lag in der Luft.
Die Seide.
Aus irgendeinem Grund war dieses Stück Stoff so wichtig für die Harmony, daß sie lieber die Konkurrenz kontaktierten, als einen Verlust des Objekts zu riskieren.
Kontaktieren oder umbringen, benannte Cassandra es wortlos. Kein großer Unterschied.
Verstümmelte Laute ertönten aus dem Telefon. Kasatonin legte den Hörer ans Ohr.
»Ja, du Drecksack«, sagte er in barschem Russisch, »folge ihm
auf jeden Fall. Und vergiß nicht! Komm ihm nicht zu nahe. Er mag ja ein alter Löwe sein, aber seine Zähne sind immer noch ziemlich scharf.«
Kasatonin ließ den Hörer sinken. »Sie sehen, ich respektiere Männer wie Gillespie. Ein Talent wie ihn findet man selten. In den fluktuierenden Allianzen der Harmony wäre ein solcher Experte sehr nützlich.«
»Gillie ist der letzte Mensch auf Erden, der sich mit der Harmony zusammentun würde.«
»Deshalb unterbreiten wir unser Angebot ja auch nicht ihm. Er ist wie ein Wachhund, nur Ihnen ergeben.«
Cassandra rührte sich nicht.
»Sie«, sagte Kasatonin sanft, »sind ein Gut, das es wahrhaft zu schützen gilt. Wenn es um internationale Macht geht, besitzen Sie einen ungeheuren Einfallsreichtum und große Weitsicht.«
»Wie Ihr Boß«, bemerkte Cassandra.
»Ihnen kann sie nicht das Wasser reichen. Katja besitzt einen unglaublichen kriminellen Instinkt. Für die Meute der Harmony, die hinter ihr herhechelt, ist sie geradezu perfekt.«
Cassandra zog die Brauen hoch und sagte kein Wort. Sie war schon seit Jahren nicht mehr in Feindesnähe geraten, hatte die erste Regel aber dennoch nicht vergessen: Sieh zu, daß du lebend davonkommst!
»Wenn die Macht einer kriminellen Vereinigung jedoch einen gewissen Punkt überschreitet«, salbaderte Kasatonin, »zerfällt diese Vereinigung entweder in sich gegenseitig bekriegende Einzelzellen, oder sie findet einen Führer, der klug genug ist, um die Gruppe in die Welt der >legalen< Macht zu geleiten: die Welt der Aktien und Anleihen, der Lobbyisten und Regierungen. Katja kann die Harmony nicht so weit bringen. Sie schon.«
»Interessant«, sagte Cassandra. Und meinte es auch. »Und was ist mit Ihnen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Geduld mit Schwachköpfen. Sie werden mich beraten.«
»Ich würde meine Kontakte sehr schnell verlieren, wenn sich herumspräche, daß ich für die Harmony arbeite.«
»Keiner braucht je davon zu erfahren, außer uns beiden.«
»Katja ist keine Närrin.«
»... sondern eine wunderschöne, tödliche Waffe, eine Waffe aus Eis. Aber Wodka bringt sie zum Schmelzen.«
»Man merkt nichts davon«, entgegnete Cassandra.
»Das wird man bald. Sie wird sich verschätzen. Dann treten Sie an ihre Stelle.«
Cassandra spürte die Kälte der Bank nicht, die langsam
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