Seidenmagd
lächelte nur.
»Ich habe übrigens«, sagte er dann, »Nachricht über Euren Bruder.«
Catharinas Herz schlug wild. »Michel – es ist tatsächlich Michel?«
»Der Kutscher ist ein Michel te Kamp aus Krefeld, sowurde mir gesagt. Er war Garde-Kürassier, wurde aber in einer Schlacht verwundet. Der Oberst hat den Rittmeister der Eskadron angewiesen, Eurem Bruder in den nächsten Tagen ein paar Stunden Urlaub zu geben, so dass er hier vorsprechen kann.«
»Er wird hier vorsprechen?« Catharina sprang auf. »Oh, wie sehr ich mich freue. Ich danke Euch!« Sie schlang die Arme um seinen Nacken.
Frieder erwiderte die Umarmung und zog sie an sich auf seinen Schoß.
»Mademoiselle, Ihr seid nicht nur eine Augenweide, Ihr fühlt Euch auch berauschend gut an.«
Wie erstarrt blieb Catharina in seinen Armen, dann löste sie ihre Hände von seinem Nacken, versuchte von Frieder abzurücken.
»Nun bleibt doch noch, mein Täubchen«, murmelte er und küsste sie sanft auf den Hals.
»Monsieur ... das ist nicht schicklich.«
»Es weiß doch keiner. Oder mögt Ihr mich nicht?«
»Doch.« Catharina hielt den Atem an. Es fühlte sich seltsam an, ihm so nahe zu sein, aber es war nicht unangenehm.
Er löste die Haarnadeln, strich durch ihre Locken. Dann küsste er ihren Hals, Catharina drehte sich zu ihm, und ihre Lippen trafen aufeinander. Es war ein warmer und zärtlicher Kuss. Schließlich löste sich Catharina von ihm und stand auf. Unterschiedliche und verwirrende Gefühle schienen durch sie zu fließen.
»Mein Bruder«, stammelte sie, »war verwundet?«
»Euer Bruder?« Frieder schüttelte den Kopf. »Ihr denkt jetzt an Euern Bruder?« Plötzlich klang er verärgert. »Ich habe Euch alles mitgeteilt, was ich an Informationen habe. Sicherlichwird er sich bald hier melden, und Ihr könnt ihn befragen.«
»Ich wollte Euch nicht verärgern ...«
»Geht. Geht zu Bett, Catharina. Jedes weitere Wort würde es nur schlimmer machen. Dies war ein langer und aufregender Tag für Euch, und es scheint noch viele Dinge zu geben, die Ihr lernen müsst.«
Fluchtartig verließ Catharina den Raum. Sie stolperte mehr, als dass sie lief, die Treppe hoch. Vor der Tür zu ihrem Zimmer lag Petite und wedelte mit der Rute.
»Du kommst mir gerade recht«, murmelte Catharina, nahm den Hund hoch und drückte ihn an sich.
Kurze Zeit später lag sie im Bett und fragte sich verzweifelt, was sie falsch gemacht hatte und wie sie es besser hätte machen können. Frieder hatte erstmalig ernsthaftes Interesse an ihr gezeigt. Sie war ihm nicht gleichgültig, im Gegenteil. Aber dennoch wusste sie, dass es nicht so sein sollte, nicht so, wie er es tat. Irgendetwas an seinem Verhalten war falsch. Sie war sich aber nicht sicher, was es war. Nein, man küsste sich nicht, wenn man nicht verheiratet war, das entsprach nicht den Sitten und der Moral. Dennoch hatte sie oft schon Pärchen aus der Gemeinde küssend hinter dem Maulbeerbaum neben der Kirche gesehen, lange bevor diese Pärchen zu Ehepaaren wurden. Es gehörte, das wusste sie, irgendwie zur Anbahnung der Ehe dazu. Und es hatte ihr gefallen, auch wenn der Kuss, Lippe auf Lippe, Zungenspitzen, die kitzelnd über die weiche Haut fuhren, so ganz anders war als der Wangenkuss ihrer Mutter.
Immer noch verspürte sie das wohlige Kribbeln in ihrem Bauch, wenn sie sich das Gefühl seiner Lippen ins Gedächtnisrief. Sie konnte fast noch die Wärme seiner Hände auf ihrem Hals, in ihren Haaren spüren, hatte den Duft seiner Haut in der Nase.
Was aber störte sie nun? Sie hatte geküsst werden wollen, auch wenn sie ihm aus lauter Begeisterung darüber, dass er ihren Bruder ausfindig gemacht hatte, um den Hals gefallen war. Seine Hände an ihrem Körper hatten sie erregt, sie hatte seine Nähe, die Intimität, genossen. Aber trotzdem war ihre Stellung im Haus nicht geklärt. Eine Magd war sie nicht mehr, keine Kammerzofe und ebenso wenig aber eine Frau seines Standes. Würde er, fragte sie sich zweifelnd, die Ehe mit ihr eingehen, oder wollte er sie als Mätresse?
Das war es, was sie störte. Eine Mätresse, so angenehm ihr Leben in seinem Haushalt war, wollte sie nicht werden.
Petite drückte sich an sie, leckte ihr über die Hand. Catharina strich über das weiche Hundefell und schloss die Augen.
Wann würde Michel kommen, und was würde er zu berichten haben?
Kapitel 33
Jeden Tag wartete Catharina darauf, dass ihr Bruder vor der Tür stand. Jeden Tag wurde sie enttäuscht. Frieder war nach der
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