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Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Renk
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Gesellschaft abgereist, sie hatte ihn nur flüchtig gesehen.
    »Wir sind zur Jagd eingeladen«, hatte Gerald missmutig gesagt.
    »Ihr auch?«
    »Ich muss Monsieur begleiten. Wir werden einige Zeit unterwegs sein.«
    Die beiden Mägde waren noch zwei Tage geblieben und hatten geholfen, aufzuräumen und sauber zu machen.
    Das Haus war plötzlich seltsam leer. Catharina und Thea hatten nicht viel zu tun, die Gänge zum Stall fielen auch weg. Catharina nähte sich ein neues Kleid. Thea unterwies sie in Kräuter- und Heilkunde und brachte ihr einige Rezepte bei. Petite ging es mit jedem Tag besser. Die Hündin fühlte sich sichtlich wohl, sie wuchs und gedieh, auch ihr Humpeln ließ nach.
    »Wir werden die Schiene bald weglassen können«, meinte Thea, als sie den Vorderlauf untersuchte. »Der Hund ist noch jung, seine Knochen heilen schnell. Er hat Glück gehabt.«
    Nach zwei Wochen endlich kehrten Frieder und Gerald heim. Inzwischen war der Herbst eingezogen. Das Laub tauchte die Stadt in bunte Farben, der Geruch veränderte sich, und es wurde deutlich kühler.
    Frieder brachte ein Wildschwein und zwei Rehe mit, die er hatte schießen dürfen.
    »Was machen wir damit?«, fragte Catharina zweifelnd.
    »Wir tun so, als wäre es Fleisch.« Thea lachte schallend. »Das Wild wird aus der Decke geschlagen und ausgenommen. Das Schwein wird zerteilt, gepökelt, eingelegt und geräuchert. Aus den Resten wird Wurst gemacht. Mit dem Reh kann man ähnlich verfahren, nur gepökelt schmeckt es nicht. Aber geräucherte Rehkeulen sind ein Genuss.«
    Sie machten sich an die Arbeit. Nach den langen Tagen des Nichtstuns fiel es ihnen nicht leicht. Frieder kam in den Hof, erstaunt darüber, dass noch keine Mahlzeit bereitet war. Als er sah, dass Gerald die erjagten Tiere zerlegte, Thea und Catharina sie weiterverarbeiteten, krempelte er die Arme hoch.
    »Was haben wir in den vergangenen Jahren mit dem Wild gemacht?«, fragte Frieder Gerald.
    »Wir haben es abgegeben und nur die Filets behalten. Diese wurden gebraten und waren köstlich, wenn ich mich recht erinnere.« Gerald grinste.
    »Man kann nahezu alles von den Tieren verwerten. Wusstet Ihr das nicht?« Thea grinste schief. »Die Rehschlegel und die Keulen vom Schwein hängen wir in den Rauch. Die Bauchseiten vom Schwein werden gepökelt. Wir werden Wurst machen, dafür wäscht Catharina gerade die Därme aus. Aus den Borsten macht man Pinsel und Bürsten, die Haut wird zum Gerber gegeben. Aus Knochen und Hufen werden Leim und Seife gekocht. Nichts wird verschwendet.«
    »Nein, das wusste ich tatsächlich nicht.« Frieder packte mit an und half. Bis zum Abend hatten sie die beiden Rehe zerlegt und verarbeitet. Die Schlegel lagen in der Gewürzlake, später würden sie getrocknet und in den Rauch gehängt werden. Thea hatte Rosmarin- und Wachholderzweige in den Ofen gegeben, so dass es köstlich duftete. Sie briet die Filets, kochte Ragout aus den Resten. Kaum saßen sie erschöpft und hungrig am Tisch, klopfte es an der Haustür.
    Nachdem Catharina zu Anfang jeden Tag gehofft und kaum das Haus verlassen hatte, um Michel keinesfalls zu verpassen, so hatte sie an diesem Tag keinen Gedanken an ihn verschwendet. Es war schlicht keine Zeit dafür gewesen. Frieder hatte beschlossen, dass er mit in der Küche aß, und hatte eine Flasche edlen Wein spendiert.
    Gerald sprang auf, wischte sich den Mund ab, während Thea die Wurstsuppe kontrollierte.
    »Wer stört denn um diese Zeit?«, knurrte der Kammerdiener und ging zur Haustür.
    »Bonsoir. Ich bin Gefreiter Michel te Kamp. Meine Schwester, so wurde mir gesagt, wohnt zurzeit hier?«
    »Kommt herein. Ihr werdet schon sehnsüchtig erwartet.«
    »Michel!«
    Die Stimme war viel dunkler, als Catharina sie in Erinnerung hatte, auch der Tonfall hatte sich verändert. und dennoch hatte sie ihren Bruder erkannt. Sie sprang auf, lief in den Flur und blieb vor dem breiten und kräftigen Mann stehen.
    Die Geschwister musterten sich einen Augenblick, dann fiel Catharina ihrem Bruder um den Hals.
    »Michel!«
    »Woher wusstest du ...?«
    »Wie geht es dir?
    »Komm mit in die Küche, setzt dich und iss etwas.« Entsetzt stellte sie fest, dass ihr Bruder hinkte. Er blieb an der Küchentür stehen und sah sich fragend um, so als wüsste er nicht, ob er willkommen sei. Den Dreispitz nahm er ab, klemmte ihn unter den linken Ellenbogen. Er trug eine weiße Jacke mit roten Ärmelaufschlägen und Ziernähten, die passende Hose und hohe, schwarze Lederstiefel.

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