Seidenmagd
Liebe?«, fragte er Catharina.
»Das überlasse ich Euch.«
»Wohlan, dann nehmt neben mir Platz. Thea darf uns gegenübersitzen.«
Vorsichtig und unsicher sprang Petite in die schaukelnde Kutsche. Auch Catharina brauchte wieder eine Weile, bevor sie sich an das Schwanken gewöhnt hatte. Sie fuhren durch die nun vertrauten Gassen des Holländischen Viertels, am Marktplatz vorbei und dann durch das Tor aus der Stadt hinaus.
Es war Ende Oktober, die Bäume hatten schon fast alles Laub verloren. Düster und trostlos sah es aus, ein Hauch von Frost lag in der Luft.
Wenn sie Glück hatten, so hatte Michel Catharina erklärt, würden sie Weihnachten Krefeld erreichen.
»Dies ist eine der ältesten Handelsstraßen, schon die Römer, so sagt man, sind auf ihr gereist«, erläuterte Frieder. »Der König plant, sie ausbauen zu lassen. Teilweise ist die Strecke schon gepflastert.«
»Nicht in diesem Teil«, sagte Catharina und biss sich auf die Lippen, da die Pferde Mühe hatten, eine Anhöhe zu bewältigen.
Frieder nahm ihre Hand und drückte sie beruhigend. »Euer Bruder ist ein erfahrener Kutscher.«
»Das weiß ich doch. Aber auch er kann den Zustand der Straße nicht verbessern.«
»Nun, es hat viel geregnet in den letzten Wochen. Die Wege sind aufgeweicht.« Frieder seufzte. »Wir hätten viel eher abreisen sollen«, murmelte er.
»Warum sind wir es nicht?«
»Meine Geschäfte ließen es nicht zu. Ich brauchte feste Zusagen und Verträge.«
Catharina überlegte, ob sie das ansprechen durfte, was Anna ihr geschrieben hatte. Schließlich gab sie sich einen Ruck. »Es geht um das Monopol, nicht wahr?«
Überrascht sah er sie an. »Woher wisst Ihr das?«
»Ich hatte davon gehört, auch wenn ich nicht verstehe, warum es so wichtig für Euch ist.«
»Wir hatten schon vor einiger Zeit mit dem König vereinbart, dass nur wir Seide weben dürfen. Endlich wurde das auch beurkundet. Das ist ein großer Gewinn für unsere Stadt.«
»Weshalb?«
»Weil nun sichergestellt ist, dass unsere Weber Arbeit haben. Der Adel und die Königshäuser beziehen ihre Seide jetzt ausschließlich aus Krefeld. Auch Seidenstrümpfe dürfen nur noch in Krefeld hergestellt werden. Das sichert uns unser Einkommen.«
»Euch Euer«, murmelte sie. »Damit ist die Familie von der Leyen gemeint.«
»Ja, natürlich. Aber von meiner Familie hängen fünfhundert Arbeiterfamilien ab, bisher. Und es werden immer mehr. Wir tun sehr viel für die Stadt und die Arbeiter.« Plötzlich klang er verärgert.
»Das bezweifele ich doch gar nicht«, versuchte Catharina zu erklären. »Ich weiß, dass Ihr viel für die Stadt und die Arbeiter tut. Doch ist es nicht so, dass die anderen Weberbetriebe nun keine Strümpfe mehr weben dürfen? Keine Seidenbänder mehr anfertigen können?«
»Es gibt außer unseren Betrieben nur wenige andere Familien, die sich mit Seide beschäftigen. Leinen und Posamenten dürfen jedoch frei verarbeitet werden. Wir unterstützen die Armen der Stadt, meine Tante kocht sogar einmal im Monat für die Armenküche, habe ich in einem der letzten Briefe erfahren. Wir kümmern uns um die Belange der Stadt, aber wir können nicht Rücksicht auf jeden und alles nehmen, Mademoiselle.«
»Das verstehe ich«, sagte Catharina leise.
»Es ist Politik und Geschäft. Diese Belange müssen Euch nicht interessieren.«
Tun sie aber, dachte Catharina und spürte plötzlich Ärger in sich aufsteigen. Frieder machte keine Anstalten, das Gespräch fortzusetzen, er nahm ein Buch aus seiner Tasche und begann zu lesen.
An der Handelsroute, die auch der Postweg war, lagen viele Gasthöfe. Dort verbrachten sie die Nächte. Catharina erinnerte sich noch an die Hinfahrt vor über einem halben Jahr. Damals war es ihr seltsam vorgekommen, in fremden Häusern zu essen und in fremden Betten zu schlafen. Ein Zimmer für sich alleine zu haben empfand sie damals als Luxus. Essen serviert zu bekommen auch, selbst wenn es nichtschmeckte. Doch inzwischen hatte sie sich an dieses Leben gewöhnt, und nun begutachtete sie argwöhnisch die fremden Laken. So manches Mal fanden sich Wanzen und Flöhe in den Betten.
Thea, die seltsam still und in sich gekehrt war, seit sie aufgebrochen waren, störte dies alles nicht. Catharina sorgte sich um die alte Frau.
»Dir geht es nicht gut?«, fragte sie nach der ersten Woche der Reise.
»Doch, doch«, sagte Thea und senkte den Kopf. »Aber ich weiß nicht, ob mir diese Reise gefällt.«
»Als Monsieur dich aus Hannover
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