Seidenmagd
Handlungsraum. Christoph wird nach Frankfurt reisen und sich auf der Messe umhören. Vielleicht finden wir Mittel und Wege, unser Geschäft auf andere Art zu führen.«
Anna drang nicht weiter in ihn. Sie hatte von ihrem erstenMann einiges an Geld geerbt, so dass sie sich vorläufig keine Sorgen machen mussten, doch sie wusste, dass Abraham auf keinen Fall von ihrem Geld leben wollte. Zusammen mit seinem Freund Christoph Taschner betrieb er einige Wollwebstühle und drei Posamentenbandwebereien. Die Leinenbleiche, die sein verstorbener Bruder Claes betrieben hatte, hatte die Familie aufgegeben. Zu groß war der Druck der von der Leyen geworden.
»Wenn dieser elendige Krieg sich noch lange hinzieht, wird die ganze Stadt in Schwierigkeiten geraten. Und nicht nur Krefeld, auch das ganze Umland. Schon wieder sind einige Höfe geplündert worden. Die Bauern haben Angst um ihre Ernte und um ihr Vieh. Und die Abgaben, die wir zu leisten haben, steigen immer weiter.«
»Bisher sind die Truppen im Frühjahr immer weitergezogen. Meinst du, das wird nun nicht mehr so sein?«, fragte Anna besorgt.
Abraham zuckte mit den Schultern. »Man hört dies und das, aber es gibt wenig verlässliche Nachrichten. Die Kämpfe scheinen zu stocken. Es soll Friedensverhandlungen geben. Darauf hoffe ich sehr.«
»Vielleicht hat Monsieur vom Bruck neue Nachrichten. Er kommt doch wie vereinbart heute Abend zum Essen, nicht wahr? Ich habe Elise aufgetragen, frische Hühnerleber zu besorgen.« Anna stockte. »Elise ...« Dann seufzte sie.
»Macht die Magd dir Kummer, mein Herz?«
»Nein, keinen Kummer. Ich fürchte, sie wird krank. Ihre Mutter und auch ihre Brüder sind an der Schwindsucht gestorben.«
»Schwindsucht?« Abraham sah sie erschrocken an.
»Ja, aber das ist schon zwei Jahre her.«
»Möglicherweise ist sie aber anfällig für die Krankheit.«
»Es ist nicht sicher, wie sich die Krankheit verbreitet und ob es einen familiären Bezug gibt, Abraham. Wir wussten, dass ihre Familie daran starb, als wir sie einstellten.«
»Hustet sie?«
»Nein, aber sie ist müde und schwach, isst kaum noch. Vor einigen Wochen war sie fröhlich und vergnügt.«
»Ich glaube, sie hatte ein Auge auf den Burschen des Docteurs geworfen.« Abraham grinste. »Sie wird an Herzschmerz leiden. Nun gut, wir behalten sie im Auge. Wenn du weitere Anzeichen für eine Erkrankung feststellst, müssen wir tätig werden.« Er stand auf und beugte sich zu Marijke, die auf dem Boden saß und mit ihrer Stoffpuppe spielte, und strich dem Mädchen über den Kopf.
Anna beobachtete die beiden. Sie wusste, Abraham liebte das Kind, als wäre es sein eigenes. Doch hatte er auch noch keine leiblichen Kinder. Sie hoffte, dass das gute Verhältnis der beiden anhalten würde, wenn ihr gemeinsames Kind auf der Welt war. Nachdenklich legte sie die Hand auf ihren Bauch.
Am Abend kam Engelbert vom Bruck und brachte einen Korb mit Weinflaschen mit. »Ich war in Düsseldorf und habe versucht herauszufinden, was man dem Ehepaar Hagemann vorwirft«, sagte er und zog seinen Mantel aus. Es war Mitte April. Inzwischen wärmte die Sonne wieder, doch gegen Abend kam oft kühler Wind auf.
»Habt Ihr zufriedenstellende Nachricht bekommen?«, wollte Anna wissen.
Albrecht Hagemann, der Schreiber am Obertor war, war vor ein paar Tagen verhaftet und zum Militärgericht nachDüsseldorf gebracht worden, ohne das kundgetan wurde, was ihm vorgeworfen wurde. Zwei Tage später hatte man auch seine Frau gefangengesetzt und nach Düsseldorf gebracht.
Vom Bruck schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich habe nachgefragt und war sogar beim Bürgermeister, aber niemand wusste etwas Genaues. Es ist wohl eine militärische Angelegenheit.«
»Militärisch?« Abraham zog die Augenbrauen hoch. »Was sollen Hagemanns mit dem Militär zu tun haben? Sie sind gottesfürchtige Mitglieder unserer Gemeinde.«
Anna sah vom Bruck erschrocken an. »Das muss doch ein Missverständnis sein, sie können unmöglich etwas verbrochen haben.« Sie schluckte. »Aber wir sind unhöflich. Bitte kommt doch herein und setzt Euch. Das Mädchen wird gleich Essen auftragen.«
Engelbert vom Bruck lächelte ihr freundlich zu. »Wunderbar, darauf habe ich mich schon die ganze Woche gefreut. Scheut Euch bitte nicht, eine Flasche von dem Wein zu öffnen.« Er wies auf den Korb, der zu seinen Füßen stand. »Es ist wohl kein edles Gesöff, aber trinkbar.«
»Guter Freund, das war doch nicht notwendig.« Abraham nahm den Korb und trug
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