Seidenstadtblues - Niederrhein Krimi
Patronen für seine Pistole hatte? Und selbst Patronen mit schwacher Ladung konnten Schäden verursachen. Die alte Wunde in seiner Schulter fing an zu pochen. Fischer konnte sich noch an das Gefühl erinnern, als ihn der Schuss getroffen, die Dunkelheit der Bewusstlosigkeit ihn eingehüllt hatte.
»Nils Loers?«, fragte er und schluckte, weil ihm die Stimme zu versagen drohte.
»Stehen bleiben.«
»Ich bleibe ja stehen«, sagte Fischer nun lauter. Vielleicht würde ihn jemand hören. Er versuchte, sich auf den Mann zu konzentrieren und gleichzeitig nach hinten zu lauschen.
»Maul halten!«
»Wir waren in Ihrer Wohnung.« Fischer schob seine Füße ganz langsam nach hinten. »Sie haben Peter Goeken ermordet, nicht wahr?«
»Ermordet? Nein. Ich habe für Gerechtigkeit gesorgt.«
»Rache für Ihre Tochter? Es ist bitter, ein Kind zu verlieren.«
»Ach ja? Wissen Sie, wie das ist?«
Fischer schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich kann es mir vorstellen.«
»Einen Dreck können Sie.«
Die kühle Nachtluft strich durch die Schrebergärten, doch Fischer lief der Schweiß über den Rücken. Er spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte.
»Sie wollten sich rächen, und das haben Sie getan.«
»Ja.« Plötzlich klang die Stimme des Mannes anders, nicht mehr so kalt, eher kläglich.
»Legen Sie die Waffe hin.«
»Warum?«
»Ich habe nichts mit dem Tod Ihrer Tochter zu tun, Herr Loers. Ich bedauere, was Ihnen zugestoßen ist, aber ich habe damit nichts zu tun.« Fischer hob die Hände.
»Ich dachte, es würde sich gut anfühlen. Jahrelang habe ich davon geträumt, es mir ausgemalt. Ich wollte, dass sie sterben, so wie meine Jessica gestorben ist.« Er schluchzte auf. »Aber es hilft gar nicht. Es fühlt sich nicht besser an.« Er blickte auf, schien zu zwinkern. »Sie können sich das nicht vorstellen«, sagte er.
»Was?«
»Wie das ist, sein Kind zu verlieren, so zu verlieren. Es war …«, er stöhnte auf, »furchtbar. Meine Tochter sie war ein Frühchen. Wir haben um ihr Leben gebangt, aber sie war eine Kämpferin.« Jetzt klang er fast stolz. »Wochenlang lag sie im Brutkasten, aber sie wollte leben, das habe ich immer gewusst.«
»Ja.« Fischer ging noch einen Schritt zurück. Er hörte die Verzweiflung in der Stimme des Mannes, und das machte ihm Angst. Verzweifelte Menschen waren zu allem fähig.
»Und sie lebte. Sie war so zauberhaft, ihr Lachen …« Für einen Moment schien sich Loers in seinen Gedanken zu verlieren. Wieder ging Fischer ein Stück zurück, trat auf einen Zweig, der knackend zerbrach. Loers hob die Waffe, fixierte ihn erneut.
»Bleiben Sie stehen!«, fauchte er. »Sie haben keine Ahnung, wie das ist, wenn das Kind qualvoll stirbt. Listerien – wissen Sie, was das ist?«
»Das sind Bakterien«, sagte Fischer leise.
»Richtig. Sie können sehr schwere Erkrankungen auslösen.« Er schluckte, hielt aber immer noch die Waffe auf Fischer gerichtet. »Meine Tochter hat es schlimm getroffen. Erst hatte sie nur Bauchschmerzen, und der Arzt hat das abgetan. Doch dann bekam sie Durchfall, wie Wasser. Sie hat gelitten. Und schließlich hat sie gekrampft, weil die scheiß Listerien in ihr Gehirn eingedrungen sind.« Nun schrie er fast. »Drei Wochen hat sie sich gequält, dann ist sie gestorben.« Seine Stimme brach.
»Ich weiß.« Fischer zögerte. »Deshalb haben Sie Goeken und die Depenbrock umgebracht.«
»Ja. In beiden Geschäften wurden Listerien nachgewiesen. In beiden! Und doch wurde uns gesagt, dass sie keine Schuld hätten, diese nicht nachgewiesen werden könnte. Meine Tochter wäre anfällig gewesen. Ja«, sagte er und nickte heftig, »das war sie, aber trotzdem ist sie gestorben, weil weder er noch sie sorgfältig waren. Sie waren nicht sauber.«
»Das konnte nie bewiesen werden.«
Loers starrte Fischer hasserfüllt an. Fischer versuchte zu schlucken, doch er konnte es nicht. Ihm wurde übel. Loers war voller Hass auf die Welt. Er musste versuchen, ihn abzulenken. Was sag ich nur, dachte er und spürte die Furcht, die ihn lähmte. »Warum haben Sie versucht, eine Bombe zu basteln?«, fragte er schließlich.
»Ich wollte mich in die Luft sprengen. Ein grandioses Feuerwerk, um meinem sinnlosen Leben ein Ende zu setzen. Mein Kind ist tot, meine Frau hat mich verlassen, mein Leben ist nichts mehr wert. Die Schuldigen sind tot, meine Rache ist vollzogen, und mein Leben hat keinen Sinn mehr.«
»Aber Sie haben es nicht getan, haben die Bombe nicht gezündet.« Es war eine
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