Seidig wie der Tod
und erschauderte. „Sie finden Mord und Vergewaltigung verlockend?“
„Verlockend nicht“, berichtigte er sie. „Aber die meisten Menschen sind fasziniert von gewalttätigen Handlungen.“
Desiree runzelte die Stirn und dachte an die Schaulustigen auf dem Friedhof. „Das ist keine tröstliche Vorstellung.“
„Mag sein. Aber es ist die Wahrheit. Wie würden Sie sich sonst den Erfolg von ‚Rambo‘ und all den anderen Filmen erklären, die Gewalttätigkeit verherrlichen?“
„Diese Filme sind ausschließlich auf die Fantasien männlicher Teenager abgestimmt.“
„Das mag sein.“ Er lächelte auf eine Art, bei der ihr leicht unbehaglich zumute wurde. „Aber Sie wollen doch damit bestimmt nicht sagen, dass Frauen keine gewalttätige Fantasien hegen?“
„In der Regel, glaube ich, haben Frauen nicht den Wunsch, Gebäude in die Luft zu jagen.“
„Gott sei Dank“, entgegnete er. „Aber obwohl ich kein Experte auf dem Gebiet weiblicher Fantasien bin, wette ich, dass viele Frauen in ihren sexuellen Wunschträumen auch gern ein bisschen kontrollierte Gewalt einschließen.“
Desiree, die gerade an ihrem dritten Buch schrieb,
Verbotene Fantasien
, hatte das Gefühl, sich auf unsicherem Boden zu bewegen. Ihre Auflagezahlen waren der Beweis dafür, dass die Fantasien der Frauen erheblich wilder waren, als die Männer jemals vermutet hätten.
Als sie merkte, wie sie auf Romans eindringlichen Blick reagierte, hielt sie es für an der Zeit für einen Themawechsel. „So faszinierend dieses Thema sein mag, ich fürchte, ich muss in einer Stunde im Sender sein“, erklärte sie brüsk. „Könnten wir jetzt bitte über gestern Abend sprechen?“
„Selbstverständlich.“ Mit der Gelassenheit eines Mannes, der nichts zu verbergen hat, setzte Roman sich ihr gegenüber, verschränkte die Hände hinter seinem dunklen Kopf, streckte die langen Beine aus und sagte: „Schießen Sie los.“
4. KAPITEL
D esiree nahm ein Notizbuch aus ihrer Schultertasche und schlug die Beine übereinander, was Roman wünschen ließ, sie trüge einen Rock statt der grauen Flanellhosen. Das flüchtige, unerwartete Aufflackern sexuellen Interesses stellte eine willkommene Ablenkung von den düsteren Gedanken dar, die ihn in letzter Zeit beherrschten.
Die Beine einer schönen Frau zu bemerken, war eine ganz normale männliche Reaktion. Vielleicht war er doch noch nicht komplett verrückt geworden.
Noch nicht.
Desiree sah das Aufblitzen von Interesse in seinen Augen und fühlte, dass sie entsprechend reagierte. Dies ist nicht der richtige Moment für einen Hormonschub, ermahnte sie sich streng.
„Warum fangen wir nicht damit an, dass Sie mir erzählen, was Sie auf dem Friedhof machten?“, schlug sie vor.
„Ich ging spazieren. Als ich die Streifenwagen sah, beschloss ich, nachzusehen, was die Aufregung verursacht hatte.“
„Gehen Sie immer mitten in der Nacht spazieren?“
„Manchmal – wenn ich an einem Buch arbeite und an einem toten Punkt angelangt bin.“ Sein Blick kehrte zu ihr zurück und verweilte. „Riechen Sie immer so gut?“
Desiree fand das schwache Lächeln, das seinen üblichen düsteren Gesichtsausdruck ersetzte, verwirrend reizvoll, doch sie war entschlossen, sich nicht davon ablenken zu lassen. „Ich glaube, ich bin hier diejenige, die die Fragen stellt.“
„Richtig“, stimmte Roman liebenswürdig zu.
„Sie sind also erst nach der Polizei eingetroffen?“
„Diese Frage wurde bereits gestellt und beantwortet“, erwiderte er. „Ich sagte schon, dass die Streifenwagen meine Aufmerksamkeit erregt hatten.“
„Und das bedeutet wohl, Sie haben niemanden den Schauplatz des Verbrechens verlassen sehen?“
„Wenn ich Zeuge eines Verbrechens gewesen wäre, Miss Dupree, hätte ich mich zum Narren gemacht und versucht, den Täter zu fassen. Zumindest hätte ich 911 angerufen und wäre bei der jungen Frau geblieben, bis die Polizei eintraf. Sie hätten mich nicht erst aufzuspüren brauchen.“
„Und doch sind Sie nicht geblieben, als die Polizei kam.“
„Ich hätte niemandem helfen können. Ich bin kein Staatsanwalt mehr“, erinnerte er sie. „Es bestand kein Grund für die Beamten, mit mir zu reden.“
„Es fällt mir schwer zu glauben, dass kein Beamter bereit gewesen wäre, mit Ihnen über das Verbrechen zu sprechen. Angesichts Ihrer früheren Stellung, meine ich.“
„Ich habe nicht gesagt, dass sie nicht mit mir geredet
hätten
. Ich sagte, dass kein offizieller Grund für mich
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