Seidig wie der Tod
murmelte Roman.
„Was ist also mit dem Baum?“
„Wieso bringen Sie mir einen Weihnachtsbaum?“
„Weil Sie keinen haben.“
„Sie auch nicht.“ Oder zumindest nicht, als sie in seinem Haus gewesen war. Und der düsteren Stimmung, die dort herrschte, nach zu urteilen, hätte sie auch nicht erwartet, dass er einen kaufen würde.
„Ich dachte, Sie würden vielleicht Ihren mit mir teilen wollen.“
Seine Stimme klang ungewohnt fordernd, und deshalb beugte Desiree sich vor, um ihm ins Gesicht zu sehen. Aber irgendjemand hatte die Straßenlaterne vor ihrem Haus zerbrochen, und der Ausdruck seiner Augen war im Dunkeln nicht zu erkennen.
„Ich habe keinen Christbaumschmuck“, sagte sie abweisend.
„Auch den habe ich besorgt“, beharrte er mit der Zähigkeit eines Vertreters. „Für den Fall, dass Sie keinen hatten.“
Zuerst den Baum. Dann Christbaumschmuck. Es wurde immer seltsamer. „Wie viel haben Sie heute schon getrunken?“, erkundigte sie sich misstrauisch.
„Keinen einzigen Tropfen.“
Sie hatten inzwischen ihre Veranda erreicht. Als Desiree Roman im gelben Schein der Eingangslampe prüfend musterte, entschied sie, dass er die Wahrheit zu sagen schien.
Dennoch machte sie einen letzten Versuch, ihn abzuweisen. „Ich bin sehr müde.“
„Sie brauchen nichts anderes zu tun, als auf der Couch zu sitzen und Eierlikör zu trinken, während ich den Baum schmücke“, beharrte er.
„Ich habe keinen Eierlikör.“
„Ah, aber ich!“
„Komisch, Sie sehen gar nicht aus wie
Papa Noël
.“
Er schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. „Die äußere Erscheinung täuscht.“
Wie bei ihr, dachte er. Obwohl sie so zart wirkte wie das Engelhaar, mit dem seine Mutter ihren Weihnachtsbaum zu schmücken pflegte, hatte er bereits die Feststellung gemacht, dass Desiree erheblich widerstandsfähiger war, als sie zu sein schien.
Trotz ihrer Erschöpfung empfand Desiree die Szene, die Roman heraufbeschwor, als unwiderstehlich und verlockend.
„Es ist Weihnachten“, sagte er und ergriff bittend ihre Hände. „Die Zeit des Friedens, der Freude und des guten Willens.“
Desiree lachte und schüttelte den Kopf, weil sie verwirrt und entzückt von der Veränderung in Roman war.
„Sagte ich bereits, dass ich auch bei Laura’s Pralinen besorgt habe?“
Laura’s Pralinenladen war New Orleans’ ältestes Konfektgeschäft. Desiree war ihr Leben lang überzeugt gewesen, schon beim bloßen Vorbeigehen mehrere Pfund zuzunehmen.
„Aber bestimmt keine mit Pekannüssen!“ Das waren ihre Lieblingspralinen, obwohl Laura’s auch eine reiche Auswahl anderer Sorten anbot.
Roman grinste. „Gibt es überhaupt andere?“
Das stimmte sie nachgiebiger. „Ich begreife es nicht. Was ist los mit Ihnen? Hat der Geist vergangener Weihnachtsfeste eine Veränderung bewirkt in Ihrem Leben?“
Eher der Geist des derzeitigen Fests hätte er darauf erwidern können. Und einer Gegenwart, die so düster und erschreckend war, dass er den Verstand verlieren würde, wenn er sich nicht eine kurze Atempause von den Schrecken erlaubte, die sein Bewusstsein marterten. „Nichts so Dramatisches.“ Er hob ihre Hände und hauchte einen Kuss auf ihre Fingerknöchel. „Wir hatten einen schlechten Anfang, Desiree, und jetzt versuche ich, mein mieses Benehmen wiedergutzumachen.“
„Was Sie versuchen, ist, mit mir ins Bett zu gehen.“
„Das auch.“ Sein Lächeln war überraschend jungenhaft und ungemein charmant. „Sie sind eine außergewöhnlich attraktive Frau. Jeder einigermaßen normale Mann würde mit Ihnen ins Bett wollen. Aber wie wär’s, wenn wir erst einmal mit dem Baum begännen und die Sache langsam angingen? Falls wir dann zusammen im Bett enden sollten, wird es sein, weil beide es gewollt haben.“
Das klang vernünftig, und obwohl sich auch jetzt noch eine innere Stimme warnend meldete, warf Desiree das Handtuch. „Ich glaube, ich hätte schon gern einen Baum“, gestand sie.
„Ich hatte gehofft, dass Sie das sagen würden.“
Während sie ihn zum Porsche zurückkehren sah, begann Desiree eine erwartungsvolle Erregung zu verspüren und begriff, dass sie doch gar nicht so müde war, wie sie gedacht hatte.
Angesichts ihres nicht allzu großen Hauses hatte sie mit einem kleinen Baum gerechnet, der auf den Couchtisch passen würde. Aber nein – die riesige Blautanne, die Roman hereinschleppte, war noch größer als er selbst.
„Tun Sie nie etwas halb?“, fragte sie zwei Stunden später, als sie, wie
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