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Sein anderes Gesicht

Sein anderes Gesicht

Titel: Sein anderes Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Rolle, die immer eine Rolle bleiben wird. Grotesk? Ich knabbere ein Anisplätzchen, während Maeva voller Empörung den Mord an JesusMarlene kommentiert. Plötzlich stellt sie so wütend ihre Tasse auf den Tisch, dass der Kaffee überschwappt.
    »Wenn ich daran denke, dass ich den Kerl gesehen habe! Stell dir das mal vor! Wenn ich keinen Freier gefunden hätte, wäre die arme Marlene noch am Leben!«
    Ich springe auf.
    »Was! Du hast ihn gesehen?« »Ja, wir standen halb erfroren an der Ecke hinter den Zapfsäulen, ich trug meinen geschlitzten, grünen Rock, du weißt schon …«
    »Und?«
    »Und eigentlich ist er nicht sehr praktisch .«
    »Nein, ich meine, was geschah dann?«
    »Ach so, also der Typ kam zu Fuß, er trug so eine Kapuzenjacke, die Kapuze halb vor das Gesicht gezogen, kam er auf Marlene und mich zu. In diesem Augenblick hupte einer meiner Freier, ein Stammkunde, auf dem Weg von Genua nach Marseille macht er hier immer Station, und ich bin zu ihm gegangen. Wenn ich geahnt hätte .«
    »Aber woher weißt du, dass Marlene mit dem Kapuzenmann gegangen ist, vielleicht hat er sie nur um Feuer gebeten?«
    »Nein, ich habe sie durch die Scheibe des Lastwagens gesehen, sie sind hinter die Tankstelle gegangen, unter die Eukalyptusbüsche. Und als ich zurückkam, war die Polizei da und die Krankenwagen und all das. O mein Gott! Welch ein Schock! Als ich sie auf der Bahre liegen sah und all das Blut . ! O Gott, o Gott! Weißt du, sie lebte noch! Ich wollte zu ihr gehen, aber sie ließen mich nicht. Wenn ich bedenke, dass sie ganz allein im Krankenhaus gestorben ist .«
    »Du hast den Kerl gesehen und den Bullen nichts gesagt?«
    »Ach, die Bullen . außerdem hatte ich keine Lust, mit Paul zu sprechen.«
    »Paul?«
    »Paul Luther. Ein richtiger Dreckskerl.«
    »Was hat er dir getan?«
    »Nichts Besonderes. Er . Er hat sich unhöflich mir gegenüber verhalten.«
    Sie presst die Lippen zusammen und senkt die Augen. Ich kann mir gut vorstellen, dass der große Luther sie als »fette Wachtel« oder »rosa geblümtes Bonbon« tituliert hat, ohne seine salbungsvolle Miene zu verziehen. Ich überlege einen Augenblick. Wenn Maeva den Kerl gesehen hat, hat er sie vielleicht auch gesehen? Schließlich sage ich vorsichtig:
    »Ja, gut, dass du nichts gesagt hast. Es ist besser, wenn der Kerl nicht weiß, dass du ihn gesehen hast .«
    Sie sieht mich an, und ihr Doppelkinn bebt.
    »Oh! Du meinst .«
    »Ja, ich meine. Du hättest es nicht einmal mir sagen dürfen. Ich könnte ja auch der Mörder sein!«
    »Du, Bo? Aber du bist eine Frau!«
    »Maeva!«
    »Nun, ich meine . Warum solltest du eine Freundin umbringen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber warum sollte ich nicht?«
    Sie führt ihre fette, mit Ringen überladene Hand an die schweißnasse Stirn.
    »Ah, davon bekomme ich Kopfschmerzen.«
    Sie trippelt zu dem rustikalen Büffet, das im Stil zu dem Ohrensessel passt, nimmt ein Aspirin und wischt sich nervös die Hände an einer gelben, mit rosafarbenen Entchen bestickten Serviette ab.
    »Da läuft es mir kalt über den Rücken . Wie kann man nur so ein Schwein sein?«
    Die Frage verlangt keine Antwort. Ich trinke einen Schluck Kaffee und tupfe mir vorsichtig den Mund ab. Man nimmt schnell die zur Kleidung passende Haltung an.
    »Wenn ich mir vorstelle, dass ich vielleicht schon bei ihm eingestiegen bin …«, fährt sie fort und wischt einige unsichtbare Krümel vom Tisch.
    Ich schweige. Das scheint mir wenig wahrscheinlich. Die drei Opfer ähnelten einander: groß, blond, schlank. Alle hatten sie einen üppigen Busen, Jesus-Marlene mit ihrem ausgestopften Wonderbra eingeschlossen. Natürlich trägt auch Maeva die imposante, mit Hormonen angereicherte Oberweite einer Fettleibigen zur Schau, aber sie erinnert weniger an Pamela Anderson als an eine wohltätige Nonne.
    »Weißt du, warum sich Marlene bei der Polizei melden musste?«, frage ich sie.
    »Marlene? Unsere Marlene?«
    »Nein, die aus der Fernsehserie!«
    »Ah, gut, ich hatte schon Angst.«
    Ich kann ein tadelndes »Maeva!« nicht unterdrücken, und sie sieht mich unglücklich an. Sanfter fahre ich fort:
    »Natürlich unsere Marlene. Einmal habe ich sie aus Prysuskis Büro kommen sehen.«
    »Hast du dich da nicht geirrt? Marlene war clean. Seit mindestens drei Jahren keine Probleme mehr.«
    »Ich habe sie aber genau erkannt, sie hat mir sogar guten Tag gesagt.«
    »Das verstehe ich nicht. Mistwetter«, fährt sie fort und wirft einen Blick auf die Bucht. »Heute Abend wird

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