Sein Anteil
setzte sich wieder an ihren Platz.
Sie warteten. Wie lange schon? Doch was konnten sie anderes tun? Wieder dachte Willem an Anne-Marie. Würde sie jetzt weinen? Sicherlich. Es war schon Nachmittag. Vielleicht wäre sie gerade im Holland Park. Er sah sie vor sich, ganz in schwarz. Sie trug eine schwarze Sonnenbrille, um ihre geröteten Augen zu verbergen. Sie beobachtete ihre Tochter, die ebenfalls schwarz gekleidet war. »Ich kann nicht mit euch spielen. Hewitt ist tot«, sagte Patricia zu den anderen Kindern, die sie umringten. In Willems Gedanken hatte sie nicht »mein Vater« gesagt, sondern »Hewitt«. Er wunderte sich darüber. Dann dachte er, dass er und Pia und Nikita drei Schiffbrüchige wären, die auf einer Planke treiben, die nur für zwei reichte. Armer Nikita!
»Will?«
»Ja, was ist?«
»Ich glaube, es ist so weit.«
Auch Willem hörte jetzt ein schreckliches, unmenschliches Ächzen von der anderen Seite des Vorhangs. Pia nahm seine Hand. Sie führte ihn zum Bett. Nikita lag unverändert da. Nur seinen Kopf hatte er nach hinten geworfen. Seine Augen waren halb offen. Der Mund stand weit auf, als versuche er, jeden vorbeiziehenden Lufthauch zu fangen. Pia und Willem verharrten bewegungslos. Das tierische Ächzen wurde lauter.
Pia und Willem rührten sich nicht. Blutleer, schneeweiß war Nikitas Haut. Sein Gesicht war eingefallen. Die Augen schienen gegen die Lider zu drücken. Das Ächzen hörte nicht auf. Es wurde nur von einem leichten Röcheln tief in Nikitas Innerem unregelmäßig unterbrochen. Pia und Willem warteten weiter. Aber es gab keine Veränderung, kein Ende, das Ächzen hörte immer noch nicht auf. Er löste sich von Pia. Seine Hand war schon ganz taub. Am liebsten hätte sich Willem die Ohren zugehalten. War der Tod schon da, in diesem Augenblick, in diesem Raum? Hatte er schon von Nikita Besitz ergriffen? Nikita war nicht bei Bewusstsein. Es war nicht Nikita, es war etwas tief in ihm, das sich gegen den Tod wehrte. Es war diese innere Kraft, die mit dem Tod um Nikita kämpfte, es war das Leben selbst.
Draußen schien es bereits zu dämmern. Denn immer weniger Licht fiel durch das Wohnzimmer auf das hohe Bett, auf dem Nikita aufgebahrt wie auf einem Altar lag. Willem hatte jedes Zeitgefühl verloren. Er wusste nicht, wie lange er und Pia bereits andächtig nebeneinander standen, als Pia ganz unvermutet auf das Bett stieg und ihren kleinen Körper auf den mächtigen Nikitas setzte, der sich unverändert unter der Decke hob und senkte, mal kraftvoll, mal flatternd.
»Lebewohl, Nikita! Verzeih!«
Ganz ruhig nahm Pia ein Kissen, legte es über Nikitas Kopf, kniete darauf, setzte sich nieder. Das Ächzen hörte nicht auf, es wurde nur leiser, flacher, das Beben unter der Decke dafür umso heftiger.
»Tu doch was!«, flehte Pia und sah ihn entsetzt an.
Es war, als habe ihn jemand an die Hand genommen. Und zöge ihn hinter sich her, unwiderstehlich, blindlings, mit übernatürlicher Kraft, die jeden Widerspruch ausschloss. Willem stellte sich vor Pia, umarmte sie, schlang seine Arme um ihren Kopf, belastete schwer mit seinem Körper ihre Schultern, drückte sie fest nach unten. Pia weinte in seinen Armen, wollte sich erheben, doch er hielt sie zurück mit seinem ganzen Gewicht.
Er sah hinter Pias Rücken, wie Nikitas Arme und Hände vibrierten. Er hielt Pia ganz fest, drückte sie noch fester nach unten. Wie lange würde es noch dauern? Willem sah nur Nikitas Arme und Hände, die keine Ruhe geben wollten.
»Will, ich kann nicht mehr!«
Doch er gab nicht nach, sah nur Nikitas Arme und Hände. Er drückte Pia mit ganzer Kraft. Endlich, endlich, nein, noch nicht, doch, endlich ließ das Zittern in Nikitas Armen nach. Auch seine Hände erschlafften erschöpft. Nikitas Körper lag leblos auf dem Bett. Willem verharrte. Dann spürte er nur noch, wie Pia sich in seinen Armen wehrte.
Nun erst löste er vorsichtig seine Umklammerung, hielt Pia aber weiterhin umschlungen. Jetzt umarmte auch Pia Willem, drückte ihn fest an sich, weinte, küsste ihn, suchte küssend mit ihrem Mund seinen Mund.
Pia erhob sich vom Bett, stürzte sich auf ihn. Er fiel zu Boden. Sie hockte sich auf ihn, küsste ihn so heftig, dass es Willem schmerzte. Sie streifte ihre Hosen ab. Auch Willem löste seinen Gürtel. Pia zerrte an seiner Hose, hockte sich wieder auf ihn, nahm ihn in sich auf. Er wollte sie wieder küssen. Doch Pia hielt ihn mit ausgestreckten Armen zurück.
»Will, noch nicht! Noch nicht, noch
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