Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
ungeschützten Fuß. Sein Gegner war schnell und clever. Reeve täuschte einen Dolchangriff vor und krallte dann mit der freien Hand nach der Kehle des Mannes. Das war schon besser. Gesicht und Hals des Mannes liefen rot an, während sich der Sauerstoff einen Weg in seinen Körper zu bahnen versuchte. Reeve setzte mit einem Tritt gegen das rechte Knie nach und wollte schon einen Ellbogenstoß anbringen, aber der Mann warf sich rückwärts über das Sofa und sprang blitzschnell wieder auf. Bislang hatten sie nicht viel Lärm gemacht; das war immer so, wenn man sich konzentrierte. Da hatte man keine Zeit, an Schreien zu denken. Reeve hoffte, dass Allerdyce nicht irgendwo auf einen Alarmknopf drückte. Er musste die Sache schnell hinter sich bringen.
Sein Gegner hatte allerdings andere Pläne. Er warf das Sofa nach vorne um, so dass Reeve zurückweichen musste: Er trieb Reeve in die Enge, nahm ihm mehr und mehr von seiner Bewegungsfreiheit. Reeve hechtete über das Sofa und erwischte den Mann voll in den Magen, so dass er rücklings auf den Teppich fiel. Dann setzte er ihm den Dolch an den Bauch, direkt unter dem Rippenbogen.
»Ich nehm dich aus wie einen Fisch«, zischte er. Er kniete auf den Beinen des Mannes. »Frag dich selbst – zahlt er dir genug?«
Der kleine Mann dachte darüber nach. Er schüttelte den Kopf.
»Leg dich auf den Bauch«, befahl Reeve. »Ich fessel dich nur.«
Der Mann gehorchte, und Reeve holte das Klebeband heraus. Er keuchte, und seine Hände zitterten leicht. Und er hatte nur Augen für den Mann auf dem Boden; er wollte auf keinen Fall, dass der Dreckskerl noch irgendwelche Tricks versuchte. Nachdem er ihm Handgelenke und Knöchel mit mehreren Lagen Band gefesselt und den Mund verklebt hatte, stellte er das Sofa wieder aufrecht hin, hob den Walkman an den Kopfhörern auf und steckte diese dem Mann wieder in die Ohren. Er tastete noch einmal seine Taschen ab. Keine Schusswaffe.
Der Mann, der in der Tür stand, hatte allerdings eine.
»Wer sind Sie?«, fragte der Mann. Er trug einen paisleygemusterten Morgenmantel mit Troddeln am Gürtel und darunter einen hellrosa Pyjama und burgunderrote Pantoffeln. Er entsprach Duharts Beschreibung.
»Mr. Allerdyce?«, sagte Reeve, als plauderten sie bei Cocktails und Kanapees.
»Ja.« Es war ein kleinkalibriger Revolver von der Sorte, wie sie Gangsterbräute in den Büchern, die Duhart las, in der Handtasche trugen. Aber in Allerdyce’ Hand wirkte er durchaus überzeugend.
»Ich heiße...«
»Legen wir doch erst mal diesen Dolch beiseite.«
Reeve warf den Dolch auf das Sofa. Er hatte die Hände noch nicht gehoben, aber Allerdyce wedelte mit dem Revolver, also hob er sie.
»Ich heiße Reeve, Gordon Reeve. Ich wollte mich mit Ihnen unterhalten.«
»Sie hätten mich in meinem Büro aufsuchen können, Mr. Reeve.«
»Vielleicht. Aber es ist etwas Persönliches, nichts Geschäftliches.«
»Persönliches? Ich verstehe nicht.«
»Doch, tun Sie. Von Ihrer Organisation beauftragte Männer haben mich eine Zeitlang beschattet.« Reeve schwieg kurz. »Sind Sie sicher, dass Sie das in Anwesenheit von Zeugen besprechen möchten?«
Allerdyce schien den Wachmann erst jetzt zu bemerken. Die Musik plärrte noch immer aus den Kopfhörern, aber man konnte nicht wissen, was er sonst noch alles mitbekam.
»Ich sollte die Polizei rufen.«
»Ja, Sir, das sollten Sie«, bestätigte Reeve.
Allerdyce dachte darüber nach. Reeve fixierte ihn die ganze Zeit ruhig.
»Nach oben«, sagte Allerdyce endlich.
Reeve ging vor ihm die Treppe hinauf.
Sie betraten ein kleines Wohnzimmer. Allerdyce befahl Reeve mit einer Geste, sich zu setzen.
»Haben Sie was dagegen, wenn ich mir die Socke ausziehe?«
»Was?«
»Der Typ vorhin hat mir ziemlich übel draufgetreten, ich möchte den Schaden feststellen.« Allerdyce nickte aus sicherem Abstand. Reeve streifte die Socke hinunter. So angeschlagen war der Fuß nicht – eine leichte Schwellung, und es würde noch einen ordentlichen blauen Fleck geben, aber nichts war ernstlich beschädigt. Er ließ es schlimmer aussehen, als es war, streifte die Socke mit unendlicher Vorsicht ab, schnitt allerlei Grimassen, während er seine Zehen abtastete.
»Sieht wirklich nicht so gut aus«, bestätigte Allerdyce.
»Der Dreckskerl beherrscht seinen Job.« Reeve zog sich die Socke wieder an. Er sah auf einem nussfurnierten Schränkchen Flaschen und Gläser stehen. »Krieg ich einen Drink?«
Allerdyce ließ sich auch das durch den Kopf
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