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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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zog den Splitter ohne viel Federlesens mit einem Ruck aus Creechs Schulter und riss das Steuerrad herum, bis sie wieder auf Kurs waren.
    Eine weitere Granate erreichte exakt das Boot und durchschlug das Heck. Wasser fing an hereinzuströmen.
    »Können Sie schwimmen?«, fragte Reeve, und Creech nickte mit zusammengebissenen Zähnen. »Auch mit nur einem Arm?«
    »Wird schon gehen. Wie weit sind wir von der Küste entfernt?«
    Reeve sah über die Bordwand. Die Antwort lautete: weniger als einen Kilometer. Er zog seine Stiefel wieder aus, verstaute sie in seinem Rucksack und zippte ihn zu. Das Ding war wasserdicht und wog nicht viel. Sollte es hart auf hart kommen, würde er ihn aufgeben und sich auf seinen Dolch verlassen, den er in seiner Scheide am Unterschenkel festgeschnallt hatte.
    »Dann kommen Sie«, sagte er zu Creech, »schwimmen wir ein bisschen.«
    Sie entfernten sich vom sinkenden Boot. Creech schaute dann aber noch einmal zurück und sah zu, wie der Rumpf kenterte und der Kiel nach oben rollte, sah Seepocken und Holzplanken, die dringend einen neuen Anstrich benötigt hätten.
    Sie schwammen nebeneinander. Reeve konnte es nicht sehen, aber er vermutete, dass Jay jetzt die Schlauchboote zu Wasser brachte und mit seinen zwei verbleibenden Männern einstieg. Reeve hatte sieben Männer aus dem Spiel geworfen.
    Aber das hatte seinen Preis gefordert.
    Sie schwammen quer zur Strömung, wodurch ihnen der knappe Kilometer wie dreimal so viel vorkam. Creech verließen rasch die Kräfte, und Reeve musste ihm helfen. Toll, dachte er, genau das, was mir noch gefehlt hatte. Erst die ganze Nacht in einem Erdloch liegen und jetzt tausend Meter schwimmen und dabei einen Verletzten mitschleppen.
    Mittlerweile paddelte ihnen Jay bestimmt in aller Ruhe hinterher. Die Chancen standen für Reeve immer schlechter.
    Endlich zog er Creech an Land. Creech wollte sich hinlegen und sich ausruhen, aber Reeve zerrte ihn hoch und ohrfeigte ihn ein paar Mal.
    »Sie müssen hier verschwinden!«, schrie er. Creechs Oberschenkelwunde, der Schlitz, den ihm der Chicano verpasst hatte, hatte sich wieder geöffnet. Bis zum nächsten Dorf waren es zehn, elf Kilometer, aber Reeve wusste, dass es etwa fünf Kilometer weiter südlich einen kleinen Hof gab. »Bleiben Sie an der Küste«, schärfte er Creech ein. »Kommen Sie nicht auf die Idee, in die Hügel zu gehen. Okay?«
    Er wartete, bis Creech genickt hatte. Der Mann wollte schon lostaumeln, aber Reeve packte ihn am Arm. »Kenneth, es tut mir leid, dass ich Sie hier mit reingezogen habe.«
    Creech schüttelte seine Hand ab und ging los. Reeve sah ihm nach und versuchte, etwas für ihn zu empfinden. Aber der Soldat in ihm hatte das Kommando übernommen. Creech war ein Kollateralschaden; es gab keine Zeit für Blumen und Beileidsbekundungen. Wie für jeden anderen hieß es auch für ihn schwimmen oder untergehen. Tatsächlich hätte Reeve ihm nicht einmal ans Ufer helfen, sondern seine Kräfte schonen sollen, und genau das tat er jetzt. Er entledigte sich seiner nassen Sachen, wrang sie aus und legte sie dann zum Trocknen auf den Boden. Richtig trocken würden sie in der kurzen Zeit zwar wohl nicht werden, aber vielleicht würde der Wind einiges dazu tun. Der Inhalt seines Rucksacks war glücklicherweise praktisch völlig trocken. Er richtete das Fernglas auf die Schlauchboote. In dem vorderen saßen zwei Männer, im zweiten nur einer. Jays Begleiter hatte ein grimmiges Gesicht und einen wüsten schwarzen Bart, der Mann, der allein paddelte, sah indianisch aus. Reeve versuchte festzustellen, was sie an Waffen dabeihatten: Pistolen und MPs; soweit er sehen konnte, keine Raketenwerfer. Nichts Schweres. Aber Jay hatte etwas auf dem Schoß liegen... Reeve hatte zunächst gedacht, es sei ein Funkgerät, aber jetzt sah er, dass es ein Ghettoblaster war.
    »Wofür zum Teufel braucht er das?«, fragte er sich.
    Er musterte die Umgebung. Er kannte dieses Gebiet fast wie seine Westentasche, was ihm einen Vorteil verschaffte. Die Hügelkette entlang der Ostküste hatte zwei Gipfel, den Hecla im Norden und den Beinn Mhór im Süden, beide knapp über 600 Meter hoch. Reeve hatte es geschafft, ganze Wochenenden lang unentdeckt zu bleiben, obwohl ihm ein ganzes Dutzend Männer auf der Spur gewesen waren und ihm nur ein kleiner Teil dieser Wildnis als Spielfeld zur Verfügung gestanden hatte. Jetzt aber musste er annehmen, dass er es mit Profis zu tun hatte.
    Diesmal spielte er wirklich um sein Leben.
    Creech

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