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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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ihm bei den peitschenden Regenschwaden nicht viel weiter. Ein Sturm ging direkt über die Insel. Choa ließ MP und Pistole fallen und ging dann mit hoch erhobenen Händen los. Er vermutete, dass er die richtige Richtung eingeschlagen hatte; weg von dort schien genau die richtige Richtung zu sein.
     
    Reeve sah ihm nach.
    Bis auf die Schnürstiefel war er nackt. Seine Kleidung war im Rucksack verstaut, wo sie trocken blieb. Er wartete geschlagene zehn Minuten lang, dann ging er, die Artillerie einsammeln. Er kletterte in die Schlucht hinunter und entlud rasch Hestlers Waffen; die ließ er bei der Leiche liegen und steckte nur die Munition ein. Dann fand er die zwei Handgranaten und nahm sie ebenfalls mit. Jetzt sahen seine Chancen schon erheblich besser aus. Er wusste, dass der Indianer schlicht das Schlachtfeld verlassen hatte – was absolut vernünftig von ihm war.
    Dann hörte er den Gesang. Er kam von weit her, aber zwischen den einzelnen Regenböen drangen ihm Melodiefetzen ans Ohr. Es war Jay, und er sang dieses verfluchte Lied. Reeve ging auf die Geräuschquelle zu, aber er ließ sich Zeit. Er wusste, dass es nicht wirklich Jay war – es war der Ghettoblaster. Jay hatte sich selbst dabei aufgenommen, wie er das Lied immer und immer wieder – und dabei von Wiederholung zu Wiederholung immer lauter – sang.
    Zwischen den zwei Gipfeln musste Reeve ein weites Tal durchqueren, und er wusste, dass er dabei vollkommen ungeschützt sein würde. Weit und breit keine Spur von Jay, abgesehen vom Gesang, der jetzt langsam lauter wurde. Reeve schlich, geduckt, kauernd, langsam darauf zu, zog sich ein paarmal wieder zurück, um einen anderen Weg zu nehmen, und nutzte jede noch so kleine Deckung, jede Erhebung, die er fand. Schließlich erreichte er den letzten Hang. Der Gesang kam direkt von hinter dem Gipfelgrat. Reeve kroch, an den Boden geschmiegt, den Abhang hinauf.
    Hinter dem Grat lag ein kleines tellerrundes Tal, und in deren Mitte stand der Radiorecorder. Reeve blieb ein paar Minuten da liegen, bis er den Gesang nicht mehr ertragen konnte. Er legte die MP5 an und verpasste dem dicken schwarzen Kasten einen Blattschuss.
    Der Kasten explodierte in einem Flammenkranz. Präpariert. Jetzt würde Jay vielleicht nachschauen kommen.
    Plötzlich ertönte, diesmal viel näher, eine weitere Explosion. Der Boden bebte, und Rasenstücke prasselten rings um Reeve nieder. Für den Bruchteil einer Sekunde lag er wieder in der Scharrkuhle in Argentinien, und Jay stand kurz davor durchzudrehen.
    Jetzt eine dritte Explosion, diesmal ganz nah. Er begriff die Situation. Jay lag irgendwo in Deckung und hatte anhand des Schussgeräusches Reeves Position geortet. Jetzt warf er Handgranaten in seine Richtung, und sie landeten nicht allzu weit von ihrem Ziel entfernt. Reeve stand auf, um festzustellen, ob er die Granaten im Anflug sehen konnte. Den Rauch der Explosionen riss die steife Brise rasch mit sich fort, aber vom schwelenden Plastik des zerborstenen Radiogehäuses stiegen noch immer stechend riechende Qualmschlieren auf.
    Plötzlich erhob sich auf der anderen Seite der Senke eine Gestalt. Nackt, Körper und Gesicht mit Erde beschmiert, ein grelles Grinsen in der improvisierten Gesichtsbemalung.
    Jay.
    Zwanzig Meter entfernt und aus der Hüfte feuernd.
    Zwei Kugeln trafen Reeve und warfen ihn um. Während er den Hang hinunterkollerte, hielt er die Waffe krampfhaft fest, um sie nicht aus der Hand zu verlieren. Auf der Schluchtsohle kam er zum Stehen, aber er wusste, dass er keine Zeit hatte, seine Verletzungen zu untersuchen. Er kraxelte den gegenüberliegenden Hang wieder hinauf und schaffte es gerade eben über die Kante, bevor Jay auftauchte. Gerade eben. Regen stach ihm während des Rennens in die Augen, die Füße rutschten immer wieder im Schlamm aus. Ein weiteres enges Tal, ein Flüsschen, das er durchwatete... Er wusste, wohin er lief, wusste, wo er ankommen würde. Eine Kugel hatte ihn an der linken Schulter erwischt, die andere zwischen Schulter und Brust. Sie brannten. Der Dolch war noch immer an seine rechte Wade geschnallt, aber er behinderte ihn beim Laufen, also riss er die Klettverschlüsse auf, zog den Dolch blank und warf die Scheide weg.
    »Hey, Philosoph!«, rief Jay mit manisch überschnappender Stimme. »Spielst du gern verstecken? Du warst schon immer eine feige Sau, Philosoph! Keine Klöten im Sack!«
    Reeve wusste, was Jay da tat: Er versuchte, ihn in Rage zu bringen. Wut machte einen in mancher Hinsicht

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