Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
die Dinge für die Füchse so schlecht, dass sie sich neuerdings in Parkhäusern herumtrieben? Na, Reeve hatte gut reden: Er versteckte sich in einem Parkhaus. Versteckte sich, weil man Jagd auf ihn machte. Momentan machten die Bösen Jagd auf ihn; aber allzu bald würden die Guten – die sogenannten Beschützer von Recht und Ordnung – ebenfalls zur Jagd blasen. Er zog den Zündschlüssel ab und stieg aus dem Auto aus, um sich ein bisschen Bewegung zu verschaffen. Kniebeugen und Liegestütze, dazu ein paar Lockerungsübungen. Dann sah er in seine Reisetasche. Allzu viele saubere Sachen hatte er nicht mehr. Auf der ersten Tankstelle nach Limoges hatte er sich das Blut abgeschrubbt. An seinem Pullover waren eingetrocknete Flecke, aber sein weißes Hemd war noch sauber. Das hatte er jetzt an. Er hatte versucht, seine Schuhe sauber zu bekommen, aber ohne großen Erfolg. Sie sahen so aus, als ob er damit Fußball gespielt hätte.
In der Reisetasche fand er auch Lucky 13. Der Dolch war ein Problem. Er wusste, dass er sich keine Hoffnungen zu machen brauchte, damit durch die Flughafenkontrolle zu kommen. Aber es war eine Mordwaffe; er konnte sie nicht einfach irgendwo liegen lassen. Er ging zum Fahrstuhl und drückte auf die Ruftaste. Dann wischte er den Dolch mit seinem Taschentuch ab, beseitigte alle Fingerabdrücke und hielt ihn danach mit dem Taschentuch fest. Als der Fahrstuhl kam, beugte er sich hinein, drückte auf den Knopf für die nächstuntere Etage und zog sich, als die Tür zuglitt, wieder zurück. Jetzt steckte er die Klinge in den Türspalt und stemmte damit, sobald sich der Fahrstuhl nach unten in Bewegung setzte, die Türflügel eine Handbreit auseinander. Dann schob er einfach Parierstange und Griff durch die Öffnung und ließ den Dolch auf das Dach der Fahrstuhlkabine fallen, wo er liegen bleiben konnte, bis der Wartungstechniker ihn fand – immer vorausgesetzt, diese Fahrstühle wurden überhaupt gewartet.
Es war noch früh, also setzte er sich wieder für eine Weile ins Auto. Dann stieg er aus, ging zur gegenüberliegenden Brüstung und lehnte sich so weit hinaus, dass er den Terminal sehen konnte. Es gab zwei Terminals, die durch eine Einschienenbahn miteinander verbunden waren; aber derjenige, der ihn interessierte, war der dort drüben, und er konnte ihn zu Fuß erreichen. Innen war er hell erleuchtet und belebt, Taxis fuhren vor – der Beginn eines neuen Tages. Er hatte während der letzten halben Stunde, abgesehen von ein paar leichten Maschinen, keine Flugzeuge starten hören. Aber bald würde es losgehen. Während der Nacht waren ein paar größere Flugzeuge gelandet. Zu der Uhrzeit konnten es nur Charteroder Frachtflüge gewesen sein.
Reeve überprüfte noch ein letztes Mal den Inhalt seiner Reisetasche, fand aber nichts unmittelbar Belastendes oder Verdächtiges. Dann schlenderte er in der kühlen Morgenluft hinüber zum Terminalgebäude. Er war völlig ausgehungert, also kaufte er sich als Allererstes einen Kaffee und ein Sandwich. Er hängte sich die Tasche über die Schulter, so dass er im Gehen essen und trinken konnte. Er ging in einem Pulk von Geschäftsleuten, die allesamt verschlafen und irgendwie schuldbewusst aussahen, als hätten sie die vergangene Nacht damit zugebracht, ihre Frauen zu betrügen. Er hätte zwar wetten können, dass keiner von ihnen eine solche Nacht wie er hinter sich hatte, aber wenigstens fiel er in dieser Gesellschaft nicht allzu sehr auf. Er war lediglich ein weiterer derangierter Reisender, der zu früh aus dem Bett hatte müssen?
Als er an den Ticketschalter ging, fühlte er sich schon etwas ruhiger. Er hoffte nur, dass es noch Tickets geben würde. Er hatte Glück, aber die Frau am Schalter warnte ihn, dass er den regulären Preis für die Business-Klasse würde zahlen müssen.
»Ist schon in Ordnung«, sagte er und schob seine Kreditkarte über den Tresen. Er ließ auf die Karte allmählich eine horrend hohe Rechnung auflaufen, aber was spielte das schon für eine Rolle, wenn er möglicherweise nie in die Verlegenheit kommen würde, sie bezahlen zu müssen? Die Ahnung der eigenen Sterblichkeit erzeugte einen gewissen Leichtsinn. Und es war immer noch besser, in finanziellen Dingen leichtsinnig zu sein, als in anderen. Er wartete, während die Formalitäten erledigt wurden, und musterte das Gesicht der Frau, die seinen Namen aus seinem Pass abschrieb, nach irgendeiner auffälligen Reaktion. Doch sein Name sagte ihr offensichtlich nichts; die
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