Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
Stromstößen wurden, so dass sie sich anschließend immer wieder selbst an die Steckdose anschlossen, nur so in Erinnerungen an die guten alten Zeiten …
»Wer sind Sie?«, fragte Reeve leise. »Für wen arbeiten Sie?«
»Ich weiß nichts.«
Reeve ritzte ihm die Kehle, und ein Tropfen Blut quoll hervor. »Letzte Chance«, zischte er.
Der Mann schluckte. Er war kräftig gebaut, und das war wahrscheinlich der einzige Grund, warum man ihm den Auftrag gegeben hatte. Clever war er nämlich nicht – kein wirklicher Profi, nach Reeves Einschätzung: Er war viel zu leicht umgefallen. Reeve durchsuchte seine Taschen. Der Mann hatte Geld dabei, aber sonst nichts, keinerlei Papiere, keinen Ausweis, kein Handy oder Funkgerät.
»Wann ist Ihr RV?«, fragte Reeve
»Zwölf Uhr«, sagte der Mann.
Also wusste er, dass RV »Rendezvous« bedeutete; die meisten Amerikaner hätten das für die Abkürzung von Recreational Vehicle gehalten, »Wohnmobil«. Er war also eine Zeitlang bei der Army gewesen.
»Dann werden Sie abgelöst?«
Der Mann nickte. Er spürte, wie ihm das Blut den Hals hinunterrann, konnte es aber natürlich nicht sehen. Reeve hätte wetten können, dass sich die Wunde schlimmer anfühlte, als sie tatsächlich war.
»Was sollen Sie tun, wenn Sie mich sehen?«
»Sie beobachten«, sagte der Mann mit unsicherer Stimme. Sein Gesicht verlor allmählich an Farbe. Reeve rechnete schon mit der Möglichkeit, dass ihm der Wichser ohnmächtig wurde.
»Und?«
»Telefonisch Meldung erstatten.«
»Und, haben Sie?«
Der Mann schluckte. »Noch nicht.«
Reeve glaubte ihm und war erleichtert. »Wie lautet die Nummer, die Sie anrufen?«
»Ist eine Pariser.«
»Sagen Sie sie mir.«
Der Mann sagte die Nummer auf.
»Wer meldet sich dann?«
»Ich weiß es nicht.« Wieder drückte die Klinge, und frisches Blut fing an zu rieseln. »Er hat mich in LA angeheuert«, sagte der Mann hastig, »in meinem Fitnessklub. Ich weiß nicht, wie er heißt, ich weiß nur den Anfangsbuchstaben.«
»J? Jay? «
Der Mann blinzelte ihn an und nickte dann. Reeve spürte, wie seine eigene Körpertemperatur in den Keller ging. Es stimmte; natürlich stimmte es. Reeve holte mit der Faust aus und knallte sie dem Mann gegen die Kinnlade. Der Kopf tat einen Schlenker, und der Körper erschlaffte. Reeve schleifte ihn in eine der Kabinen und schloss ab, dann stemmte er sich hoch und über die Tür. Er warf die Klinge in ein Waschbecken und öffnete die Tür. Draußen stand ein Mann mit einer Aktentasche in der Hand. Er fragte sich sichtlich, ob er dem Schild Glauben schenken sollte. Reeve deutete auf den Fußboden.
»Überschwemmung«, sagte er. »Klo ist defekt.«
Dann ging er zurück in die Abfertigungshalle und von da aus geradewegs zu seinem Flugsteig.
Fünfter Teil
Birdy
14
Reeve versuchte, das Frühstück zu essen, das kurz nach dem Start serviert wurde, musste aber feststellen, dass er keinen Appetit hatte. Stattdessen bat er um ein zusätzliches Glas Orangensaft und anschließend um noch eines. In Heathrow war mehr los als zuvor in Orly, aber auch hier konnte er niemanden ausmachen, der auf ihn zu warten schien. Er ging hinunter zum U-Bahnhof und dort zu einem der öffentlichen Telefone.
»Hallo?«, meldete sich eine Stimme.
Reeve wartete.
»Hallo?«
»Hallo, Jay«, sagte er.
»Ich glaube, Sie haben sich verwählt.«
»Ach ja?«
Es entstand eine lange Pause. Reeve schaute zu, wie die Einheiten von seiner Telefonkarte runterklickten. Schließlich meldete sich die Stimme wieder.
»Hey, Philosoph, bist du das?«
»Ja.«
»Was gibt’s Neues, Kumpel?«
Als hätten sie sich erst letzte Woche gesprochen und wären als die besten Freunde auseinandergegangen. Als ob Jay nicht einen Söldnertrupp anführte, der den Auftrag hatte, Reeve zur Strecke zu bringen und zu liquidieren. Als ob sie einen gemütlichen Plausch hielten.
»Ich dachte, du wärst tot«, erklärte Reeve.
»Du meinst, du wünschst dir, ich wär’s.«
»Jeden Tag aufs Neue«, sagte Reeve leise.
Jay lachte. »Wo bist du grad, Kumpel?«
»In Orly.«
»Ach ja? Dann müsstest du Mickey getroffen haben.«
»Von ihm hab ich ja deine Nummer.«
»Ich hoffe, er hat was dafür verlangt.«
»Er hat mehr als genug gekriegt.«
»Tja, ich wusste, dass du eine harte Nuss sein würdest, Gordon.«
»Du weißt gar nicht, wie hart. Sag das deinen Geldgebern. Sag ihnen, dass ich das persönlich nehme. Kein Job, kein Auftrag, streng persönlich.«
»Gordon, du bist doch nicht
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