Sein Bruder Kain
holperten vorbei, und aus ihrem Innern ertönte Gelächter. Grelle Theaterreklamen versprachen Melodramen und prickelnde Spannung. Monk und Drusilla kamen an einem Kohleofen vorbei, auf dem Eßkastanien geröstet wurden, und einen Augenblick lang umfing sie ein Schwall heißer Luft.
»Hätten Sie gern ein paar Kastanien?« fragte er.
»O ja! Ja. Schrecklich gern«, antwortete sie schnell. »Ich habe schon jahrelang keine mehr gegessen.«
Er kaufte für drei Pence Kastanien, die sie sich teilten; während sie vorsichtig an den heißen Früchten knabberten und aufpaßten, daß sie sich nicht die Lippen oder die Zunge verbrannten, sahen sie einander an. Die Kastanien waren köstlich.
Um sie herum war Gelächter, und ein Hauch von Gefahr lag in der Luft. Einige Männer liefen mit hochgestellten Kragen und tief in die Stirn gezogenen Hüten an ihnen vorbei, um Vergnügungen nachzugehen, bei denen sie lieber nicht erkannt werden wollten. Andere gaben sich völlig ungezwungen und flanierten mit frechen Bemerkungen auf den Lippen den Gehweg entlang.
Drusilla drückte sich näher an Monk, ihre Augen leuchteten, ihr Gesicht wirkte weich und glühte in einer inneren Erregung, die ihrer Haut einen strahlenden Glanz verlieh, der sie noch hübscher erscheinen ließ als sonst.
Sie kamen an einem Guckkasten vorbei. Flüchtig kam ihm der Gedanke, daß sie hier eigentlich gar nichts ausrichten konnten, da sie keinerlei Möglichkeit hatten, in Erfahrung zu bringen, ob Genevieve diesen Ort jemals aufgesucht hatte, und wenn ja, mit wem.
Er besaß kein Bild von ihr, das er herumzeigen konnte. Aber wenn er diesen Gedanken geäußert hätte, hätte er Drusilla den Spaß verdorben, und nur das zählte im Augenblick für ihn. Es war durchaus vorstellbar, daß Genevieve an einem Komplott zur Ermordung ihres Mannes beteiligt war, aber er glaubte es nicht. Ohne eine Leiche hätte sie nichts zu gewinnen und alles zu verlieren.
Eine Stunde später, als sie die Greek Street Richtung Soho Square hinaufgingen, kam das Thema wieder zur Sprache, und er mußte ihr eine Antwort geben.
»Aber vielleicht taucht die Leiche ja noch auf?« sagte sie, während sie vom Gehsteig auf die Straße trat. Dann stolzierte sie ein paar Schritte über das Pflaster und ahmte die Liebesdienerinnen nach, nur um sogleich wieder in fröhliches Gelächter auszubrechen. »Es tut mir leid!« sagte sie ausgelassen. »Aber es macht solchen Spaß, einen Abend lang einmal auf nichts achten zu müssen, nicht darüber nachzudenken, ob alles korrekt ist oder ob die alte Lady Soundso meine Worte mißbilligen könnte. Ein solches Gefühl von Freiheit ist einfach herrlich. Vielen Dank, William, für diesen einzigartigen Abend!« Und bevor er etwas erwidern konnte, lief sie weiter. »Vielleicht halten sie die Leiche aus irgendeinem Grund versteckt?«
»Aus welchem Grund?« fragte er amüsiert. Er war im Augenblick zu glücklich, um sich allzu viele Gedanken über die Ungereimtheiten in diesem Fall zu machen. Morgen war immer noch Zeit genug, die Sache ernsthaft weiterzuverfolgen. Der heutige Abend gehörte ganz ihm und Drusilla.
»Äh!« Sie blieb plötzlich stehen und wirbelte mit weit aufgerissenen Augen zu ihm herum. »Ich hab's! Was ist, wenn Angus wieder auftaucht, gesund und munter, und behauptet, er sei bei einem schrecklichen Kampf mit Caleb verletzt worden, vielleicht am Kopf, so daß er außerstande war, mit irgend jemandem Kontakt aufzunehmen. Er war bewußtlos, lag im Delirium. Er glaubt, Caleb sei tot…«
»Aber das ist er nicht«, bemerkte Monk. »Ich habe ihn gesehen, und er hat zugegeben, Angus getötet zu haben. In…«
»Nein, nein!« unterbrach sie ihn eifrig. »Warten Sie! Unterbrechen Sie mich nicht immer. Natürlich lebt er - und er hat es getan! Verstehen Sie nicht? Der Angus, der auftaucht, ist in Wirklichkeit Caleb. Er und Genevieve haben Angus um die Ecke gebracht, und wenn es zu spät ist, um die beiden noch voneinander unterscheiden zu können, und die Leiche ausreichend«, sie krauste die Nase, »verwest ist, können die Ärzte nur noch feststellen, daß es sich um einen der Brüder handelt! Bis dahin gibt es kein Gesicht mehr, das man erkennen könnte, keine gepflegten glatten Hände mit sauberen Fingernägeln, diese Dinge meine ich. Wenn sie sagt, der Mann, der zurückkehrt, sei Angus, wer könnte das dann bestreiten?« Ihre Hand legte sich fester um seinen Arm. »William, das ist brillant. Es erklärt alles!«
Er suchte nach einer
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