Sein Bruder Kain
seine Kleider betraf, so konnte man nur noch sagen, daß es sich um ein Hemd und eine Art Hose gehandelt haben mußte, aber von welcher Qualität oder Farbe, ließ sich nicht mehr feststellen.
»Nun?« fragte der Sergeant an Monk gewandt. »Ist er das?« Um seinen Mund lag ein bitteres Lächeln und in seinen Augen Hoffnungslosigkeit. »Puh! Armer Teufel. Kein menschliches Wesen sollte so enden.«
Monk riß sich zusammen und betrachtete die Leiche genauer. Er war überrascht, daß sein Magen sich wieder beruhigt hatte, obwohl er zitterte. Er mußte solche Dinge schon früher gesehen haben. Der Mann war groß und kräftig gebaut, sein Haar von dunkler Farbe und dicht. Es gab nichts, was dagegen sprach, daß es sich um Angus Stonefield handelte.
»Ich weiß nicht. Könnte sein«, sagte er mit einem Gefühl von Traurigkeit, das ihn um ein Haar überwältigt hätte, ganz so, als hätte er bis zu diesem Augenblick immer noch geglaubt, daß Angus vielleicht noch lebte.
Der Sergeant seufzte. »Ich fürchte, wir müssen seine Frau fragen, obwohl ich weiß Gott nicht der Meinung bin, daß irgendeine Frau so etwas sehen sollte… schon gar nicht, wenn es sich um ihren Mann handelt.«
»Bringen Sie ihn ins Leichenschauhaus«, sagte Monk leise, obwohl er sich haßte für das, was er tat, noch bevor er es ganz ausgesprochen hatte. Plötzlich schien es ihm ganz leicht, Caleb zu hängen. Aber sein Zorn reichte jetzt nicht einmal mehr dazu aus. »Ich werde sie hinbringen. Es muß sein. Vielleicht gibt es irgendwelche Merkmale an seinem Körper, wo die Kleider ihn geschützt haben, irgend etwas, das sie wiedererkennen könnte… oder das es zumindest wahrscheinlich erscheinen läßt.«
Der Sergeant blickte ihm im Licht der Lampe forschend ins Gesicht und nickte dann langsam. »Recht haben Sie, Sir. So werden wir's machen. Kommt Jungs, geht wieder an die Ruder. Oder wollt ihr vielleicht so lange auf dem verdammten Fluß bleiben, bis wir festfrieren?«
»Ja, Mr. Monk?« Genevieve sah ihn an, und ihr Gesicht spiegelte ihre Angst wider, die auch schon in ihren Augen stand. Man hatte ihn ins Wohnzimmer geführt. Die größeren, offizielleren Räume benutzte sie nicht mehr, wahrscheinlich, um die Heizkosten zu sparen. Sie sah erschöpft aus. Er wußte, daß sie den ganzen Tag über auf dem Gericht gewesen war, und einen großen Teil davon hatte sie im Zeugenstand zugebracht. Der Anblick Calebs, der ihrem Mann äußerlich so ähnlich sah, mußte die schlimmste Prüfung ihres Lebens gewesen sein. Und jetzt würde er ihr Leiden möglicherweise noch vergrößern müssen.
Aber es ließ sich nicht vermeiden. Niemand konnte ihr das abnehmen. Wenn sein Gesicht unbeschädigt geblieben und noch zu erkennen gewesen wäre, hätten Ravensbrook oder Mr. Arbuthnot dies auf sich nehmen können, um sie zu schonen. So wie die Dinge lagen, konnte nur sie die verborgenen kleinen Geheimnisse seines Körpers kennen - soweit das noch möglich war.
Monk befand sich nicht oft in der Verlegenheit, daß ihm die Worte fehlten. Er hatte seit dem grausigen Fund im Fluß darüber nachgedacht, wußte aber immer noch nicht, wie er ihr diese Neuigkeit am besten beibringen sollte.
»Was ist passiert, Mr. Monk?« Sie ließ sein Gesicht keine Sekunde lang aus den Augen. »Haben Sie Angus gefunden? Ist das der Grund, warum es Ihnen so schwerfällt, mit mir zu sprechen?«
»Ich weiß es nicht.« Es war lächerlich, daß sie ihm half, während er doch derjenige sein sollte, der ihr beistehen sollte. Es war ihr Kummer, ihr Verlust, nicht seiner. »Wir haben eine Leiche gefunden, aber wir brauchen jemanden, der Angus gut genug kannte, um ihn zu identifizieren.«
»Ich verstehe nicht…« Sie schwankte ein klein wenig. »Was versuchen Sie mir zu sagen?« Sie schluckte. »Ist es Angus oder nicht? Sie haben Caleb gesehen. Ich kann eine Vielzahl von Unterschieden zwischen ihnen erkennen, aber ihre Augen müßten gleich sein, so daß sie selbst entscheiden können, ob es Angus ist oder nicht!« In ihrer Stimme und in ihrem Blick lag eine wachsende Panik. »Bitte! Diese… diese Ungewißheit ist schlimmer als jede Wahrheit.« Sie stand mit verkrampften Händen vor ihm, und ihr Körper war so angespannt, daß sie zitterte.
»Wenn ich es wüßte, Mrs. Stonefield, würde ich Sie dem nicht aussetzen!« sagte er verzweifelt. »Wenn Lord Ravensbrook es uns hätte sagen können, hätte ich ihn darum gebeten. Aber der Fluß hat das Gesicht entstellt. Nur da, wo die Kleider seinen
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